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Memoiren 1945 - 1987

Memoiren 1945 - 1987

Titel: Memoiren 1945 - 1987 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leni Riefenstahl
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Blechtöpfe, noch alles wie früher aussah.
      Unser erster Versuch verlief dramatisch. Zuerst ging alles gut. Horst hatte das Aggregat in einiger Entfernung von der Hütte aufgestellt, um die Tonaufnahmen nicht durch dieses Geräusch zu beeinträchtigen. Dann besprach ich mit den Nuba, was sie tun sollten. Wir konnten aber noch nicht beginnen, zu viele Zuschauer drängten sich in der Hütte Es war unerträglich heiß, die Hände waren feucht geworden, die Lampen wurden umgeworfen, und böse durfte ich nicht werden, ich mußte sie auf freundliche Weise auffordern, die Hütte wieder zu verlassen. Endlich hofften wir, beginnen zu können. Aber die Nuba draußen machten einen solchen Lärm, daß an Tonaufnahmen nicht zu denken war. Also beschlossen wir, die Szenen stumm zu drehen und den Ton später aufzunehmen. Inzwischen war viel Zeit vergangen, das Tageslicht war fast verschwunden, bis Horst, in eine Ecke geklemmt, mit der Arbeit beginnen konnte. Meine Fragen beantworteten die Nuba spontan und unbefangen. Man sah, es machte ihnen Spaß. Aber bald wurden wir wieder gestört. Ein Nuba stürzte herein, offenbar mit einer aufregenden Nachricht, denn im Augenblick war die Hütte leer, die Nuba liefen mit Speeren in der Hand die Felsen hinauf, und von den Frauen erfuhren wir, eine Biszäre hätte eine Ziege fortgeschleppt. Wir hatten noch nie etwas von diesem luchsähnlichen Raubtier gehört. Nun waren sie alle hinter diesem Tier her. Die Biszäre war ihnen entwischt. Enttäuscht kamen sie zurück und wollten nun die Aufnahmen fortsetzen, aber die Hütte war inzwischen voller Qualm und Rauch. In der Mitte saß die Frau unseres Gastgebers mit einem großen Topf vor sich, sie hatte angefangen, Essen zu kochen, und war davon durch nichts abzubringen und rührte weiter ihren Brei. Die Frau blieb stur. Ich mußte mir was einfallen lassen und zeigte ihr einen kleinen Spiegel. Als sie verstand, sie dürfte ihn behalten, bewirkte es Wunder. Sie strahlte und ließ es zu, daß die Männer das Feuer ausmachten. Inzwischen war es dunkel und für unser Vorhaben schon zu spät geworden. Am Himmel hatten sich schwere, düstere Wolken gebildet, wie ich sie hier noch nie erlebt hatte. Besorgt blickten die Nuba in die Höhe. Unruhig geworden, fragte ich sie, ob jetzt schon der Regen fallen könnte. «Gnama-birne basso», sagten sie — Regen kann kommen.
      Ich wußte, wir würden Gefangene des Regens werden, wenn er zu früh käme. Auch mit dem besten Geländefahrzeug kämen wir von hier nicht fort. Das war auch der Grund, daß noch niemals ein Fremder die Regenzeit hier verlebt hatte. In wenigen Stunden verwandelt sich der Boden in tiefen Morast. Mit Schrecken dachten wir an unser Filmmaterial, das in einer Grube gelagert war. Eine Stunde Regen genügte, und alles wäre zerstört. Auch für die Nuba würde ein zu früh einsetzender Regen zu einer Katastrophe führen. Der größte Teil der noch nicht eingebrachten Ernte wäre vernichtet und eine Hungersnot die Folge.
      Von nun an arbeitete das ganze Dorf, Kinder, alte Leute und auch Kranke, daran, die Ernte einzubringen. Wir halfen, indem wir das Durakorn zu den Sammelplätzen fuhren. Gemeinsam mit ihnen überlegten wir, wie im Fall eines plötzlich einsetzenden Regens unsere Sachen gerettet werden könnten. Dabei zeigte Alipo ein
    erstaunlich organisatorisches Talent.
      Was wir gefürchtet, aber doch für unmöglich gehalten hatten, trat ein. Wir saßen in der Rakoba und spürten die ersten Tropfen durch das Strohdach fallen. Schon setzte ein Prasseln ein — der Regen war da. Sofort holten wir das Filmmaterial aus der Grube, brachten es in den Wagen, und die Nuba schleppten Kiste für Kiste aus unserer Rakoba in ihre vor Regen sicheren Hütten. Alle halfen, und bald war unsere Ausrüstung in Sicherheit.
      Unsere Rakoba war aufgeweicht und halb zerstört. Um fast drei Monate war der Regen zu früh gekommen, selbst die ältesten Nuba konnten sich nicht erinnern, Mitte März schon einmal Regen erlebt zu haben. Trotz dieser gefährlichen Situation bewahrten sie eine erstaunliche Gelassenheit. Sie übertrug sich auch auf uns.
      Als der Regen nach einigen Stunden nachließ, war der Boden aufgeweicht, an ein Fortkommen nicht mehr zu denken. Ich zitterte bei dem Gedanken, auf Monate von der Außenwelt abgeschnitten zu sein. Unser Proviant langte nur noch für wenige Wochen, die Medikamente gingen zur Neige. Was sollte geschehen, wenn einer von uns erkranken würde? Kein noch so

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