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Memoiren 1945 - 1987

Memoiren 1945 - 1987

Titel: Memoiren 1945 - 1987 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leni Riefenstahl
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Mörderinnen, die zu
    lebenslänglicher Freiheitsstrafe verurteilt waren. Ihre Taten sollen sie ausschließlich aus Eifersucht begangen haben, einige sollten begnadigt werden. Todesstrafe kannte der Sudan nicht. Die meisten der Gefangenen waren mit Handarbeiten beschäftigt: Die Frauen stellten Sachen aus Stroh her, die Männer machten Schnitzereien aus Elfenbein und Tierhörnern. Mit Hilfe eines Dolmetschers durften wir uns mit ihnen unterhalten. Anscheinend ertrugen sie ihr Schicksal mit Gelassenheit.
      Nach sieben Tagen, in denen wir verschiedene Dinka-Dörfer besuchten, verließen wir Wau. Mich machte die oft unerträgliche Hitze zum ersten Mal etwas afrikamüde. Wir sehnten uns nach unserer Heimat, nach Wäldern und grünen Wiesen, nach Kühle — aber auch nach unserer Küche.
      Noch war unsere Reise nicht zu Ende. Equatoria, die südlichste der Sudan-Provinzen, stand noch auf dem Programm. Dort sollte es zu den schwersten Unruhen und Kämpfen gekommen sein. Gegen Wau war Juba eine tote Stadt, und hier spürte man auch die Gegenwart der vergangenen Unruhen. Wir durften hier nie, wie bisher, allein fahren, immer wurden wir von zwei Polizisten begleitet. Nach Torit, der letzten Station unserer Reise, erhielten wir einen besonders starken Begleitschutz, wir mußten sogar unsere Reise in einem gepanzerten Armeetransporter fortsetzen. Mehrere Amphibien-Panzer und Armee-Lastwagen, die mit bewaffneten Soldaten besetzt waren, begleiteten uns. Ich muß gestehen, mir wurde unbehaglich zumute, besonders dann, als ich nach einigen Stunden in einen kleinen Panzer umsteigen mußte. Wir fuhren durch eine hügelige Berglandschaft, wie ein Dschungel dicht mit tropischen Pflanzen bewachsen. Ich konnte mir gut vorstellen, was es hieß, gegen einen in diesem dichten Gebüsch verborgenen Gegner kämpfen zu müssen. Ohne Zwischenfälle kamen wir nach Torit, dem Sitz des Hauptquartiers der Armee. Ein ungewöhnliches Entgegenkommen, daß wir diesen Platz besuchen durften. Er war das Zentrum der Kämpfe gewesen.
      Wir waren Gäste des noch ziemlich jungen Armeechefs, der mit großer Offenheit meine Fragen zu den Unruhen in diesem Gebiet beantwortete. Wir diskutierten bis in die Nacht hinein. Zum ersten Mal erhielt ich einen Einblick in die fast unlösbaren politischen, ethnologischen und religiösen Probleme zwischen Nord- und Südsudanesen. Man muß mit beiden Seiten gesprochen haben, um sich ein zutreffendes Bild machen zu können.
      Wir wurden mit einem Tanz der Latuka überrascht, der im Gegensatz zu den offiziellen Tänzen in den Dinka-Dörfern noch sehr ursprünglich war. Die Latuka hatten große Trommeln, deren Felle sie ständig mit brennenden Strohbüscheln erwärmten. Ihre Gesichter hatten sie mit roter Asche bemalt, in ihren Händen hielten sie Stöcke, an deren Spitze schwarze lange Tierhaare wehten. In wilden Sprüngen und Schreien steigerten sie sich in eine immer stärker werdende Ekstase. Mit ihrem Tanz um eine Art Scheiterhaufen, den sie aus Holzstücken gebaut hatten, erweckten sie die Vorstellung entfesselter Dämonen, die nicht nur für uns als Zuschauer tanzten, sondern sich in ihren ritualen Tänzen auslebten.
      Gerade als der Tanz zu Ende war, erlebten wir eine dramatische Sensation. Das Radio meldete aus Khartum einen Regierungsumsturz. Die bisherige Regierung und ihre Freunde waren verhaftet, Anführer des Putsches war ein Offizier — Gaafar Nimeiri. Betroffen schauten wir uns an. Der Schreck saß mir in allen Gliedern. Vermutlich waren die Gouverneure und Polizeichefs, die uns so unterstützt hatten und deren Gäste wir waren, schon gefangengesetzt. Das war nun die zweite Revolution, die ich im Sudan erlebte. Es überraschte mich, wie gefaßt die Offiziere, in deren Kreis wir uns befanden, diese Meldung aufnahmen.
      Der Kommandant in Torit veranlagte, daß wir unverzüglich nach Juba zurückgebracht wurden. Dort erlitt ich meinen ersten Malariaanfall, hatte hohes Fieber und bekam starke Gliederschmerzen. Nachdem ich genügend Resochin eingenommen hatte, war ich erstaunlich schnell wieder auf den Beinen, und zwei Tage später flogen wir nach Khartum. Es war beruhigend, unsere Freunde am Flughafen zu sehen. Sie durchschauten die Lage noch nicht. Aufregend war, was sie berichteten. Der Rundfunk, Brücken und öffentliche Gebäude waren besetzt. Panzer standen überall, und in den Straßen wimmelte es von Militär. Die schlimmste Nachricht erfuhr ich erst am Abend. Ein Mitarbeiter Weistroffers,

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