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Menschen wie Götter

Menschen wie Götter

Titel: Menschen wie Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Snegow
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werden.
    Wahrscheinlich wäre ich auch nicht zur Beisetzung gegangen, wenn ich nicht erfahren hätte, daß Olga zur Erde gekommen war. Sie hätte es mir nicht verziehen, wäre ich der Bestattung ihres Mannes ferngeblieben.
    Außerdem wollte ich die alten Freunde gern wiedersehen - Orlan und Gig, Oshima und Grazi, Kamagin und Trub. Sie waren mit Olga auf deren „Orion“ angereist, um an der Feier im Pantheon teilzunehmen.
    Dennoch zögerte ich lange, ehe ich mich entschloß, das Haus zu verlassen. Die Trauerzeremonie schreckte mich. Romero hatte angedeutet, daß man von mir eine Rede erwarte, doch ich konnte allenfalls sagen, daß die Toten kühne Kosmosfahrer gewesen waren und ich sie sehr liebgehabt hatte.
    Im Pantheon hatten sich die Verwandten und die Freunde der Toten eingefunden. Olga weinte, den Kopf an meiner Schulter. Zärtlich streichelte ich ihr graues Haar. Länger als wir alle hatte sie der zerstörenden Wirkung des Alters widerstanden. Das Leid hatte sie gebrochen. Gepreßt murmelte ich, um nicht stumm zu bleiben: „Olga, du solltest deine Haarfarbe ändern, das ist doch ganz einfach.“
    Wie sonst nahm sie meine Worte ernst. Ihr trauriges Lächeln schnürte mir das Herz ab.
    „Leonid gefiel ich so, wie ich bin, und sonst habe ich niemanden, für den ich mich hübsch machen könnte.“
    Mit Olga war Irina gekommen, ihre Tochter. Ungefähr fünfzehn Jahre hatte ich sie nicht gesehen, ich erinnerte mich ihrer als eines unberechenbaren, unscheinbaren Mädchens, das äußerlich und charakterlich Leonid glich. Früher hatte ich mich oft gewundert, wie wenig Besonnenheit, Ruhe, Fähigkeit, sich in beliebige Rätsel zu vertiefen, eiserne Entschlossenheit unter dem Mantel gütiger Höflichkeit Irina von ihrer Mutter geerbt hatte. Nun stand eine schlanke, gebräunte, impulsive Frau vor mir mit so großen schwarzen Augen, deren Weiß bläulich war, daß man schwer den Blick von ihnen abwenden konnte. Ich fand, daß sie noch mehr als früher Leonid ähnelte und nicht nur äußerlich. Heute, da sich schwerlich etwas wiedergutmachen läßt, erkenne ich, wie sehr ich mich in Irinas Charakter täuschte. In der langen Kette von Ursachen, die zu dem Unheil führten, hat auch dieser mein Fehler eine Rolle gespielt.
    Ich umarmte Irina und sagte: „Ich habe deinen Vater sehr liebgehabt, Mädchen.“
    Sie machte sich los und blitzte mich mit ihren Augen an. Die abgegriffene Wendung „mit den Augen anblitzen“ ist in diesem Falle die einzig treffende, anders vermag ich mich nicht auszudrücken. Sie blitzte mich also an und antwortete unerklärlich herausfordernd: „Auch ich habe meinen Vater liebgehabt. Und ich bin kein Mädchen, mehr, Eli.“
    Ich hätte über ihre Worte nachdenken, mich in ihren Ton hineinfühlen sollen, vieles wäre dann anders verlaufen. Aber Lussin und Trub näherten sich, und mir stand nicht der Sinn nach unberechenbaren Frauen. Lussin drückte mir kummervoll die Hand, der alte Engel schloß mich in die schwarzen Flügel. Die Unsterblichkeitsrezepte, die uns die Galakten eifrig verabfolgen, helfen meinen Freunden ebensowenig wie mir. Lussin hält sich prächtig, sein dürrer Körper hat zuviel Sehnen und Knochen und zuwenig Fleisch seinesgleichen altert lange nicht. Trub dagegen sieht wie ein Greis aus. Nie hätte ich gedacht, daß es ein so schönes Alter geben könne, ein so mächtiges Hinfälligwerden. Voller Zärtlichkeit spreche ich diese gegensätzlichen Worte „mächtig“ und „Hinfälligwerden“ aus, voller Schmerz sehe ich den toten Trub, als stehe er wie auf der Trauerfeier vor mir riesengroß, schwarzflüglig, mit grauem Haarschopf und dichtem grauem Backenbart ...
    „Kummer!“ sagte Lussin. „So ein Kummer, Eli!“
    „Ringsum waren Feinde!“ schollerte Trub. „Allan und Leonid erforschten, die rätselhaften Erscheinungen wissenschaftlich, anstatt zu kämpfen! Du hättest gekämpft, Eli, davon bin ich überzeugt! Schade, daß ich nicht dabeigewesen bin! Ich hätte sie dies und das aus der Erfahrung der Schlachten auf dem Dritten Planeten gelehrt!“
    Zu uns traten Orlan und Grazi. Auf Planeten, wo Menschen sind, erscheinen sie stets zusammen. Das ist rührend naiv, ein Galakt und ein Zerstörer demonstrieren, daß die erbitterte Feindschaft, die vor Millionen Jahren ihre Völker trennte, von herzlicher Freundschaft abgelöst worden ist. Nach alter Weise habe ich Orlan einen Zerstörer genannt, obwohl ihnen die Bezeichnung „Demiurgen“ zuerkannt wurde.
    Sie sind ungeheuer

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