Menschenfresser - Gargoyle - Posters Haus
noch keine Stunde zurücklag. An seinem Hals waren rote Male zurückgeblieben, von dem Würgegriff der unsichtbaren Hände. Das Phantom war nicht Dr. Konzelmann gewesen, sondern ein übersinnliches Geschöpf, ein Überbleibsel von Sanjays totem Bruder, dessen Namen sie trug. Nur Arturs Schutzgeist hatte ihn vernichten können – Margarete hatte in letzter Sekunde das Ritual beendet, mit dem er wieder freigesetzt wurde. Nun trug Artur ihn wieder in sich, wie bis zu jenem Tag, an dem er nach Schloss Falkengrund gekommen war.
„Gut, ich verspreche, wir verdächtigen niemanden“, meinte Jaqueline, ein wenig eingeschnappt. Sie gehörte nicht zu den Menschen, die sich gerne kritisieren oder Vorschriften machen ließen. „Aber wir dürfen doch wohl versuchen, den Täter ausfindig zu machen. Wie üblich werden wir keine Polizei rufen können.“
„Es ist überhaupt nicht wichtig, ihn ausfindig zu machen“, gab Artur müde zurück. „Er wird es nicht wieder tun. Es war ein Missverständnis, davon bin ich überzeugt.“
„Du nimmst ihn in Schutz? Jemanden, der einen hilflosen Mann zusammenschlägt?“
„Er wollte nur beschützen. Er fürchtete um das Leben von Sanjay und ihrem Freund. Um unser aller Leben. Wer immer es war, was passiert ist, ist nicht seine Schuld, sondern die von Angelika.“
Die Anklage stand im Raum. Das blonde Mädchen hatte zu weinen begonnen. Angelika ließ sich auf einen Stuhl fallen, legte ihr Gesicht auf die Tischplatte und heulte hemmungslos. Die anderen sahen peinlich berührt zur Seite. Es war eine schreckliche Situation. Eigentlich hätten sie froh sein sollen, dass sie alles gut überstanden hatten – Sanjay lebte, Artur lebte, der Doktor lebte. Artur hatte seinen Schutzgeist zurück. Aber es kam keine Feierstimmung auf. Der heutige Tag hatte tiefe Gräben gerissen. Zwischen Sanjay und Artur, zwischen Angelika und den anderen.
Als Werner das Telefonat beendet hatte, tat er etwas, was niemand von ihm erwartet hätte. Er ging mit festen Schritten auf Angelika zu und riss sie vom Tisch hoch. Sie schrie auf, starrte ihn aus rotgeweinten Augen an und versuchte sich seinem Griff zu entwinden. Doch der Mann, der die Posten des Rektors, Gärtners und Hausmeisters in einer Person vereinte, ließ nicht locker. Seine sanfte, fast schon mütterliche Art sorgte gewöhnlich dafür, dass man seine Körperkraft unterschätzte. Nun zerrte er Angelika erbarmungslos mit sich, und das war umso erstaunlicher, als Angelika nicht nur irgendeine seiner Studentinnen war, sondern seine Freundin.
Werner schleppte die weinende Frau, die sich wie ein trotzendes Kind benahm, mit sich die Kellertreppe hinunter. Es war klar, was er vorhatte. Sie sollte sich bei Dr. Konzelmann entschuldigen.
Oben in der Halle herrschte betretene Stille, und alle hatten ihre Blicke ins Leere gerichtet, bis Melanie sich leise zu Wort meldete. „Ich denke, Artur hat recht“, sagte sie beinahe flüsternd. „Es wäre Zeit, wieder ein wenig Vertrauen zueinander zu gewinnen, anstatt uns immer mehr zu zerfleischen.“
Margarete stimmte zu. „Vielleicht kommt bald der Zeitpunkt, wo es darauf ankommt, dass wir zusammenstehen. Falkengrund hat die größten Gefahren noch vor sich. Wenn diese … Schatten uns angreifen, können wir es uns nicht leisten, uneins zu sein.“
„Man kann auch eine stabile Situation schaffen, nachdem man den Menschen rausgeworfen hat, der den Doktor geschlagen hat“, widersprach Jaqueline. „Um ein Problem zu lösen, sollte man nach den Ursachen forschen, nicht einfach auf gute Laune machen.“
„Das einzige Problem, das wir haben, ist, dass wir kein Team sind“, sagte Margarete mit milder Stimme. „Wir sind ein Haufen unterschiedlicher Menschen, wunderbarer Menschen, die aber noch nicht den richtigen Draht zueinander gefunden haben.“
„Vielleicht müssen wir dazu erst zusammen durch die Hölle gehen.“ Das sagte Felipe, der sich nur selten in Diskussionen einmischte.
„Also, wenn ihr mich fragt, tun wir das gerade“, murmelte Artur.
Werner Hotten kam aus dem Untergeschoss zurück, diesmal ohne Angelika. Die Flecken der Aufregung auf seinem Gesicht waren verschwunden. Nach wie vor sah er besorgt aus, aber der Schrecken war aus seinen Zügen gewichen.
„Angelika hilft dem Doktor, seine Wunden zu versorgen, bis Dr. Steinbach eintrifft“, erklärte der Schulleiter. „Ich wünschte mir, derjenige, der diesen hässlichen Angriff zu verantworten hat, würde es an ihrer Stelle tun, aber Dr.
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