Menschenjagd
Tür am anderen Ende öffnete sich (es gab immer eine Tür am anderen Ende; sie waren wie Ratten in einem überdimensionalen, aufwärts geneigten Labyrinth: einem amerikanischen Labyrinth, dachte Richards), und Männer schoben große Körbe auf Rädern hinein. Die Körbe waren mit S, M, L und XL beschriftet. Richards angelte seiner Länge wegen einen Overall aus dem XL-Korb und rechnete damit, dass er ihm lose um den Körper hängen würde, aber er passte ganz gut. Der Stoff war weich und elastisch, fast wie Seide, aber wesentlich strapazierfähiger. Ein durchgängiger Nylonreißverschluss lief auf der Vorderseite hinauf. Alle Overalls waren dunkelblau und hatten das Spiele-Emblem auf der rechten Brusttasche. Als die ganze Gruppe sie trug, fühlte Ben Richards sich, als hätte er sein Gesicht verloren.
»Hier entlang, bitte«, sagte der hagere Mann und brachte sie in einen weiteren Warteraum. Das obligatorische Free-Vee brüllte und schnatterte. »Sie werden in Zehnergruppen aufgerufen.«
Über der Tür hinter dem Free-Vee hing wieder das HIER ENTLANG-Schild, komplett mit rotem Pfeil.
Sie setzten sich. Nach einer Weile stand Richards auf, ging ans Fenster und sah hinaus. Sie waren jetzt höher im Gebäude, aber es regnete immer noch. Die Straßen glänzten nass und schwarz. Er fragte sich, was Sheila wohl gerade machte.
… Minus 092 Countdown läuft …
Um Viertel nach zehn ging er zusammen mit neun anderen durch die Tür. Sie gingen in einer Reihe hindurch. Ihre Ausweise wurden überprüft. In diesem Raum standen zehn dreiseitige Kabinen, doch diese hatten stabilere Wände. Die Seiten waren aus gerippten, schalldichten Korkplatten gemacht. Die Deckenbeleuchtung verbreitete ein weiches, indirektes Licht. Aus verborgenen Lautsprechern erklang Musik. Ein Plüschteppich bedeckte den Boden. Richards Füße waren erschrocken, etwas anderes als Zement zu spüren.
Der hagere Mann hatte etwas zu ihm gesagt.
Richards blinzelte ihm zu. »Wie?«
»Kabine 6«, sagte der hagere Mann tadelnd.
»Oh.«
Er ging zur Kabine 6. Drinnen stand ein Schreibtisch, und dahinter hing eine große Wanduhr auf Augenhöhe. Ein gespitzter G-A/IBM-Bleistift und ein Stapel unliniertes Papier lagen auf dem Tisch bereit. Billige Qualität, wie Richards bemerkte.
Neben dem Schreibtisch stand eine hinreißende Priesterin des Computerzeitalters. Die große Blondine mit einer junoesken Figur trug Minishorts aus schimmerndem Stoff, der so eng anlag, dass ihr deltaförmiger Venusberg sich deutlich abzeichnete. Rosa Brustwarzen drückten sich kess durch die Maschen einer seidenen Netzbluse.
»Setzen Sie sich bitte«, forderte sie ihn auf. »Ich bin Rinda Ward, Ihre Prüferin.« Sie hielt ihm ihre Hand hin.
Verwirrt schüttelte Richards sie. »Benjamin Richards.«
»Darf ich Sie Ben nennen?«Ihr Lächeln war verführerisch, doch unpersönlich. Er verspürte genau den Grad von Erregung, den diese Frau, mit ihrem gut ausgestatteten, zur Schau gestellten und wohlgenährten Körper auslösen sollte. Das ärgerte ihn. Er fragte sich, ob es sie anmachte, sich den armen Schweinen auf dem Weg zum Fleischwolf so zu zeigen.
»Klar«, sagte er. »Hübsche Titten.«
»Danke«, erwiderte sie gelassen. Er hatte sich mittlerweile gesetzt und musste zu ihr aufblicken, während sie auf ihn herabsah, und das fügte dem Bild nur noch eine beschämendere Sicht hinzu. »Bei dem heutigen Test geht es um Ihre geistigen Fähigkeiten, so wie es bei der gestrigen Untersuchung um Ihren Körper ging. Es wird ein ziemlich langer Test werden, und Sie bekommen gegen drei Uhr Mittagessen – vorausgesetzt Sie bestehen den Test.« Das Lächeln schaltete sich an und aus.
»Wir beginnen mit dem sprachlichen Teil. Sie haben genau eine Stunde Zeit von dem Augenblick an, in dem ich Ihnen die Testunterlagen gebe. Sie dürfen während der Prüfung Fragen stellen, und ich werde sie, soweit es mir erlaubt ist, beantworten. Ich werde jedoch auf keinen Fall Antworten auf die Testfragen liefern. Haben Sie verstanden?«
»Ja.«
Sie reichte ihm ein Heft. Auf dem Einband war eine rote Hand, mit der Handfläche nach vorn, abgebildet. Darunter stand in großen roten Buchstaben:
STOPP!
Und darunter: Schlagen Sie das Heft erst auf, wenn Ihr Prüfer Sie anweist fortzufahren.
»Alle Achtung!«, murmelte Richards.
»Wie bitte?« Ihre perfekt geschwungenen Augenbrauen zogen sich eine Winzigkeit in die Höhe.
»Nichts.«
»Wenn Sie das Heft öffnen, werden Sie einen Antwortbogen finden.
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