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Menschenjagd

Menschenjagd

Titel: Menschenjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Seiten mit einem Vorhang abgeteilte Zelle, wie die alten Wahlkabinen – Wahlkabinen waren schon vor elf Jahren durch das Computerwahlsystem überflüssig geworden -, und pinkelte in einen blauen Becher. Der Arzt nahm den Becher und stellte ihn in ein Drahtgestell.
    An der nächsten Station kam der Sehtest. »Lesen«, forderte der Arzt ihn auf.
    »E – A, L – D, M, F – S, P, M, Z – K, L, A, C, D – U, S, G, A …«
    »Das genügt. Weitergehen.«
    Er schlüpfte in die nächste Pseudowahlkabine und setzte sich einen Kopfhörer auf. Man wies ihn an, auf einen weißen Knopf zu drücken, wenn er etwas hören könne, und den roten Knopf, sobald er nichts mehr hörte. Der Ton war sehr hoch und schwach. Es klang wie eine Hundepfeife, deren Frequenz so weit gesenkt worden war, dass das menschliche Ohr ihn gerade noch wahrnehmen konnte. Richards drückte auf Knöpfe, bis man ihm sagte, er solle aufhören.
    Er wurde gewogen. Man untersuchte seine Füße. Dann stand er vor einem Röntgenschirm und band sich eine Bleischürze um. Ein Kaugummi kauender, leise eine tonlose Melodie summender Arzt machte mehrere Aufnahmen von ihm und notierte seine Ausweisnummer.
    Richards war mit etwa dreißig Leuten zur Untersuchung gekommen. Zwölf hatten es bis zum anderen Ende des Raumes geschafft. Einige waren angezogen und warteten auf den Fahrstuhl. Gut zwölf weitere waren aus der Reihe ausgesondert worden. Einer hatte versucht, den Arzt anzugreifen, der ihn aussortiert hatte, und war von einem Polizisten mit voller Wucht mit dem Schlagstock gefällt worden. Der Bursche war wie von einer Streitaxt getroffen zu Boden gegangen.
    Richards stand an einem niedrigen Schreibtisch und wurde nach gut fünfzig Krankheiten gefragt, die er gehabt haben könnte. Die meisten davon bezogen sich auf die Atemwege. Der Arzt blickte ihn scharf an, als Richards sagte, dass jemand aus seiner Familie Grippe habe.
    »Ihre Frau?«
    »Nein, meine Tochter.«
    »Alter?«
    »Anderthalb Jahre.«
    »Sind Sie geimpft worden? Versuchen Sie nicht zu lügen!«, schrie der Arzt plötzlich, als ob Richards schon versucht hätte zu lügen. »Wir werden Ihren Impfpass überprüfen.«
    »Geimpft im Juli 2023. Wiederholungsimpfung September 2023. Ortskrankenhaus.«
    »Weitergehen.«
    Richards hatte plötzlich das Verlangen, über den Tisch zu langen und der Made den Hals zu brechen. Stattdessen ging er weiter. An der letzten Station stand eine ernst dreinblickende Ärztin mit kurz geschnittenen Haaren und einem winzigen Hörgerät im Ohr. Sie fragte ihn, ob er homosexuell sei.
    »Nein.«
    »Sind Sie jemals wegen eines schweren Verbrechens verhaftet worden?«
    »Nein.«
    »Leiden Sie an ernsten Phobien? Damit meine ich …«
    »Nein.«
    »Hören Sie sich lieber erst mal die Definition an«, sagte sie mit leichter Herablassung. »Ich meine…«
    »Ob ich an ungewöhnlichen, zwanghaften Ängsten wie Akrophobie oder Klaustrophobie leide. Nein, das ist nicht der Fall.«
    Sie kniff den Mund zusammen, und einen Augenblick sah es so aus, als hätte sie eine scharfe Bemerkung auf den Lippen.
    »Haben Sie je Halluzinogene oder süchtig machende Drogen genommen oder nehmen Sie noch welche?«
    »Nein.«
    »Ist ein Mitglied Ihrer Verwandtschaft jemals wegen eines Verbrechens gegen die Regierung oder das Network verhaftet worden?«
    »Nein.«
    »Unterzeichnen Sie diesen Loyalitätseid und das Verzichtformular der Spiele-Kommission, Mr., äh, Richards.«
    Er kritzelte seine Unterschrift hin.
    »Zeigen Sie dem Sanitäter Ihren Ausweis und nennen Sie ihm die Nummer …«
    Er ließ sie mitten im Satz stehen und gestikulierte mit dem Daumen zum hasen-zähnigen Ordner. »Nummer sechsundzwanzig, Bugs.« Der Ordner brachte seine Sachen. Richards zog sich langsam an und schlenderte zum Fahrstuhl hinüber. Sein Anus fühlte sich heiß und misshandelt an, beleidigt, ein bisschen glitschig von dem Gleitmittel, das der Arzt benutzt hatte.
    Als sie alle zusammengetrieben waren, öffneten sich die Fahrstuhltüren. Die kugelsichere Judaszelle war diesmal leer. Der Cop war ein magerer Mann mit einem großen Geschwür an der Nase. »Nach hinten durchgehen«, sang er. »Bitte nach hinten durchgehen.«
    Als die Türen sich schlossen, konnte Richards die S am anderen Ende des Raumes eintreten sehen. Der Arzt mit dem Klemmbrett unter dem Arm ging auf sie zu. Dann klackten die Türen aufeinander, schnitten ihm die Sicht ab.
    Sie fuhren in den zweiten Stock, und der Fahrstuhl entließ sie in einen riesigen,

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