Menschenjagd
dämmrigen Schlafsaal. Die Reihen von schmalen eisernen Feldbettgestellen schienen sich bis in die Unendlichkeit zu erstrecken.
Zwei Polizisten neben dem Fahrstuhlausgang ließen sie nacheinander aus dem Fahrstuhl, überprüften ihre Ausweise und gaben ihnen Bettennummern. Richards’ war 940. Auf der Pritsche lagen eine braune Decke und ein sehr flaches Kopfkissen. Richards legte sich auf die Pritsche und ließ seine Schuhe auf den Boden fallen. Seine Füße baumelten über die Bettkante, das war nicht zu ändern.
Er verschränkte die Arme unter seinem Kopf und starrte an die Decke.
… Minus 094 Countdown läuft …
Am nächsten Morgen wurde er Punkt 6 Uhr von einem sehr lauten Summton geweckt. Einen Augenblick lang war er benebelt, desorientiert, fragte sich, ob Sheila einen Wecker gekauft hätte. Doch dann fiel ihm alles wieder ein, und er setzte sich auf.
Sie wurden in Gruppen zu fünfzig in einen großen unpersönlichen Waschraum geführt, wo sie ihren Ausweis vor eine von einem Cop bewachte Kamera hielten. Richards trat in eine blau gekachelte Kabine, die mit einem Spiegel, einem Waschbecken, einer Dusche und einer Toilette ausgestattet war. Auf der Porzellanablage über dem Waschbecken lagen eine Reihe in Zellophan gewickelter Zahnbürsten, ein elektrischer Rasierapparat, ein Stück Seife und eine halbleere Zahnpastatube. In einer Ecke des Spiegels klebte ein Schild: BEHANDELN SIE DIESE GEGENSTÄNDE PFLEGLICH! Darunter hatte jemand gekritzelt: ICH PFLEGE NUR MEINEN ARSCH!
Richards duschte, nahm sich das oberste Handtuch von dem Stapel auf dem Toilettenspülkasten, trocknete sich ab, rasierte sich und putzte die Zähne.
Sie wurden in eine Kantine gelassen, in der sie wiederum ihre Ausweise vorzeigen mussten. Richards nahm ein Tablett und schob es die Theke aus rostfreiem Stahl entlang. Er bekam eine Packung Cornflakes, einen Teller fettiger Bratkartoffeln, einen Schlag Rührei, einen Toast, der so kalt und hart wie ein marmorner Grabstein war, ein Glas Milch, eine Tasse Kaffee (keine Sahne), ein Tütchen Zucker, ein Tütchen Salz und eine Portion Butterersatz auf einem winzigen Quadrat fettigen Papiers.
Er schlang das Frühstück in sich hinein; alle machten das. Es war – abgesehen von fettigen Pizzaecken und den Ernährungspillen, die von der Regierung ausgeteilt wurden – das erste richtige Essen, das er seit Gott weiß wie lange bekam. Doch es schmeckte merkwürdig fad, so als ob ein Vampirkoch allen Geschmack herausgesaugt und nur noch die reinen Nährstoffe übrig gelassen hätte.
Was hatten sie heute Morgen zu essen? Pillenfraß. Und Pulvermilch für das Baby. Plötzlich schlug eine Woge der Verzweiflung über ihm zusammen. Himmel, wann würden sie endlich Geld sehen? Heute? Morgen? Nächste Woche?
Aber vielleicht war auch das nur ein schlechter Scherz, ein Reklamegag. Vielleicht gab es nicht mal einen Regenbogen, geschweige denn einen Topf mit Gold.
Er starrte auf seinen leeren Teller, bis der Sieben-Uhr-Summer ertönte und sie zu den Fahrstühlen getrieben wurden.
… Minus 093 Countdown läuft …
Im dritten Stock wurde Richards’ Fünfzigergruppe zunächst in einem großen, unmöblierten Raum gesammelt, an dessen Wänden Kisten standen, die wie riesige Briefkästen aussahen. Sie zeigten ihre Ausweise vor, und die Fahrstuhltüren schlossen sich geräuschvoll hinter ihnen.
Ein hagerer Mann mit Stirnglatze und dem Spiele-Emblem (die Silhouette eines Kopfes über einer brennenden Fackel) auf seinem Labormantel kam in den Raum.
»Ziehen Sie sich bitte aus und nehmen Sie alle Wertsachen aus Ihren Kleidern«, sagte er. »Werfen Sie Ihre Kleider danach in einen der Müllverbrennungsschlitze. Sie werden Spiele-Overalls bekommen.« Er lächelte großmütig. »Diese Overalls dürfen Sie behalten, egal, wie Sie bei den Tests abschneiden.«
Einige murrten unwillig, doch alle fügten sich.
»Bitte, beeilen Sie sich«, sagte der Hagere und klatschte dabei zweimal in die Hände wie ein Lehrer, der seinen ABC-Schützen das Ende der Spielpause verkündet. »Wir haben noch eine Menge vor uns.«
»Nehmen Sie auch an Spielen teil?«, fragte Richards.
Der Hagere sah ihn mit verwundertem Gesichtsausdruck an. In der hinteren Reihe kicherte jemand.
»Ach, schon gut«, sagte Richards und zog seine Hose aus.
Er nahm seine wertlosen Wertsachen an sich und warf das Hemd, die Hose und die Unterwäsche in einen Briefkastenschlitz. Irgendwo in der Tiefe gab es eine kurze, hungrige Stichflamme.
Die
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