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Menschenkinder

Menschenkinder

Titel: Menschenkinder
Autoren: Herbert Renz-Polster
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leuchten auf den ersten Blick ein, und sie lassen sich gewiss von so mancher Theorie bestätigen.
Wenn da nur nicht ein Problem wäre: Die Annahmen widersprechen sich. Und damit stehen Eltern vor einer ernüchternden Tatsache: Ein guter Teil dessen, was über Kinder behauptet wird, ist falsch . Gut gemeint in aller Regel, aber trotzdem: Geschwätz.

    In diesem Buch werde ich zeigen:
dass das Geschwätz erst aufhört, wenn wir die jahrtausendealte Geschichte unserer Kinder – und damit die Wurzeln ihrer Entwicklung – kennen,
dass es zu billig ist, den Eltern den Schwarzen Peter zuzuschieben, wenn die Erziehung nicht klappt,
dass wir eine – angeblich vor allem für Legehennen wichtige – Frage auch für Menschenkinder stellen müssen: die Frage nach der artgerechten Umwelt.
    Dass wir in der Erziehungsdiskussion nicht wirklich weiterkommen, liegt nicht an den Kindern. Es liegt auch nicht daran, dass den Eltern ein Erziehungsführerschein fehlt. Es liegt an uns allen. Wir haben zu lange über Kinder nur spekuliert, vorschnell geurteilt, geschwätzt. Und wir haben uns zu lange vor einem Rundgang durch das »Dorf« gedrückt, in dem unsere Kinder heute aufwachsen. Was liegt da im Argen? Stehen Kinder, Jugendliche, Mütter, Familien wirklich dort, wo sie hingehören – in unserer Mitte? Warum bedeuten dann Kinder, die ja angeblich ein Reichtum sind, immer öfter ein Armutsrisiko? Warum brauchen wir immer mehr »Schreiambulanzen«, »Schlaf-Sprechstunden«, Logopäden, Bewegungstherapeuten und andere Entwicklungshelfer für unsere Kinder? Wie kann es sein, dass Schulen zwar eine ganze Menge gebildeter Kinder, aber auch mindestens genauso viele »Versager« produzieren? Sind wir Erwachsenen vielleicht dabei, eine Welt zu errichten, die Kinder immer mehr als Hindernisse sieht – und ihnen auch immer mehr Hindernisse in den Weg stellt?
    Neu Maß nehmen
    Mit diesem Buch fordere ich einen Maßstab ein, an dem sich alle Behauptungen über Kinder zu messen haben. Ich fordere, dass wir in der Diskussion über Erziehung an den Kindern Maß nehmen, wie sie sich über Tausende, ja Hunderttausende von Jahren entwickelt haben.
    Warum? Weil unsere Kinder eine Geschichte in sich tragen – und sie bestimmt ihr Leben auch heute noch. Wenn wir den Kindern gerecht werden wollen, müssen wir diese Geschichte kennen.
    Ich spreche von ihrer evolutionären Geschichte. Alle Lebewesen dieser Erde tragen die Prägungen der Vergangenheit in sich – sie helfen ihnen beim Überleben und Gedeihen. Das gilt auch für unsere Kinder. Wie sie sich verhalten und wie sie sich entwickeln ist keine Willkür. Dahinter steht vielmehr ein Muster – ein von Generation zu Generation vererbtes Muster. Dieses Muster hat sich als Antwort auf die Herausforderungen gebildet, vor denen die Kinder in der Geschichte immer wieder standen.
    Dieses Muster ist der Grund, weshalb Kinder sich rund um die Erde in denselben Schritten entwickeln, auch wenn ihre Umwelt unterschiedlicher nicht sein könnte. Und es ist der Grund, weshalb die heutigen Kinder sich in vielen Aspekten so wenig von denen unterscheiden, die in Zeiten geboren wurden, als so ziemlich alles anders war als heute.
    Dieser Blick kann die Erziehung verändern. Denn wer an den Realitäten Maß nimmt, unter denen sich die Kinder über Tausende von Jahren entwickelt haben, stößt zunächst einmal auf Stärken , nicht auf Mängel, Defekte oder Schwachstellen, von denen die Erziehungsdiskussion so besessen scheint. Auf ihrem Weg durch die Geschichte mussten die Kinder ja all das perfektionieren, was einem kleinen, unreifen Menschen hilft, ein großer, erfolgreicher Erwachsener zu werden. Sie mussten lernen, wie man das Großwerden am besten anpackt. Ja, die kindliche Entwicklung
ist für die Eltern nicht immer eitel Sonnenschein (man denke nur an die berüchtigten Zornanfälle), aber sie ist dennoch Grund zu Optimismus: Sie beruht auf einer Auswahl dessen, was funktioniert hat (Zornanfälle inklusive – wir kommen darauf zurück).
    Zumindest eines aber sollte klar geworden sein: Ein Kind, das auf eine solche jahrtausendelange Entwicklung baut, ist ein »vorbereitetes« Wesen, es ist geeicht und gerüstet. Über ein solches »vorbereitetes« Geschöpf kann man nicht einfach behaupten, was einem in den Kram passt.
    Noch eine Theorie?
    Kommt jetzt noch eine Theorie, noch eine Erziehungsmethode, noch ein Erfolgsrezept? Noch ein Experte, der Ihnen sagt, wie Sie in sieben Schritten zu einem durchschlafenden, brav
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