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Menschenskinder

Menschenskinder

Titel: Menschenskinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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erzählen und am zweiten das Du anbieten.
    Zum Glück teilt Stefanie meine Vorlieben. Außerdem ist sie seit Jahren ambitionierte Taucherin, und als solche zieht es sie natürlich immer dorthin, wo es Riffs gibt mit Korallen drauf und bunten Fischlein drumherum; es dürfen aber auch ruhig größere Kaliber sein. Ehemann Hannes mit über 300 bescheinigten Tauchgängen, etlichen Kursen und dem Zertifikat »Divemaster« ist noch ein bisschen erfahrener, aber auch noch ein bisschen verrückter als seine Frau, was ihren gemeinsamen Hang zur Tiefe betrifft. Er verbringt die Hälfte des Tages unter Wasser (die andere Hälfte verschläft er, tauchen macht müde!), Stefanie wenigstens nur ein Drittel. Deshalb fährt sie auch immer braun gebrannt nach Hause, während Hannes nach seinem Urlaub schon so manches Mal ausgesehen hat, als hätte er dringend einen nötig.
    Wann wir zum ersten Mal gemeinsam verreist sind – abgesehen von der Hochzeitsreise! –, kann ich nicht mehr sagen, doch es liegt schon ein paar Jahre zurück. Steffi war mit einem Schwung Katalogen erschienen, hatte in jedem das von ihr anvisierte Urlaubsziel markiert und von mir tatsächlich erwartet, ihr bei der Suche nach dem preisgünstigsten Veranstalter behilflich zu sein. Auf die Malediven wollten sie, Paradies aller Taucher, aber auch für notorisch faule Menschen ein wunderschönes Fleckchen Erde. Immerhin war ich ja schon mal da gewesen und hatte, wenn schon nicht Tauchen, so doch wenigstens Schnorcheln gelernt.
    Da Steffis Berechnungen nie mit meinen übereinstimmten, sie in Mathe aber immer besser gewesen war als ich, überließ ich ihr die Zahlenakrobatik und ging Kaffee kochen.
    »Hannes würde ja am liebsten wieder nach Baros gehen, aber da sind wir doch schon mal gewesen!«, rief sie mir hinterher.
    »Na und? Eine Insel sieht doch fast wie die andere aus, mal oval und manchmal rund, Palmen stehen immer drauf, die Tauchbasis fehlt nie, und ein Fischgericht findest du jeden Tag auf der Speisekarte. Damit sind doch alle notwendigen Kriterien erfüllt! – Wie viel Zucker nimmst du zur Zeit in deinen Kaffee?«
    »Gar keinen. Aber drei Klicks.«
    Richtig, seit kurzem bevorzugte sie wieder Süßstoff, Zucker macht ja unnötig dick. Allmählich sollte ich mich an diese Terminologie gewöhnt haben, denn jedes Mal, wenn die Bikini-Wochen näher rücken, beginnt Stefanies kalorienbewusste Phase. Während sie ihren Kaffee umrührte, zählte sie mir die Vorzüge eben jener Insel auf. »Das Flair ist doch wichtig, die ganze Atmosphäre … Wenn man abends vor der Bar in diesem Palmenwäldchen sitzt und der runde Mond steigt überm Meer auf, das ist einfach …«
    »Ist da jeden Abend Vollmond?«
    Sie sah mich missbilligend an. »Natürlich nicht, aber da ist er immer. Außerdem sieht er anders aus als hier. Irgendwie viel voller, und dunkelorange ist er, nicht so anämisch blass wie bei uns.«
    »Na schön, von mir aus. Ich wäre ja schon froh, wenn ich ihn überhaupt mal wieder sehen würde.« Seit Tagen hingen wir im Nebel, doch sobald er sich wirklich mal ein bisschen auflöste, kamen die dicken Wolkenbänke zum Vorschein und ließen nicht einmal ahnen, dass es irgendwo dahinter eine Sonne geben musste, ganz zu schweigen von Mond und Sternen.
    »Dann komm doch einfach mit!«, sagte meine Tochter. »Warum? Ist das Wetter in Heidelberg etwa besser?« Sie schüttelte nur den Kopf. »Die Schnellste bist du auch nicht mehr, stimmt’s? Na ja, ist irgendwie verständlich, wenn man so kurz vor dem offiziellen Rentenalter steht.« Jetzt setzte sie auch noch ein nachsichtiges Grinsen auf. »Ich meine doch den Urlaub, liebes Mütterlein! Oder hast du im Februar was Besseres vor?«
    Du liebe Zeit, was denn wohl? Am liebsten hätte ich sofort »na klar, wann fliegen wir?« gebrüllt, doch ich bat mir 24 Stunden Bedenkzeit aus, weniger für mich als für Hannes, denn es ist immerhin ein Unterschied, ob man seine Schwiegermutter nur gelegentlich sieht oder sie drei Wochen lang am Hals hat. Und bei Stefanie war ich mir nicht sicher, ob ihre spontane Einladung ernst gemeint war. Man kennt das doch von anderen Gelegenheiten her! Da lernt man irgendwo ein paar sympathische Leute kennen, verbringt einen netten Abend zusammen und noch einen, tauscht beim Abschied die Adressen aus mit dem Hinweis: »Falls Sie mal in der Nähe sind, müssen Sie auf jeden Fall bei uns hereinschauen!«, und ist schlichtweg entsetzt, wenn sie es wirklich tun.
    Hannes war überhaupt nicht entsetzt.

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