Mephistos Erben: Kriminalroman (German Edition)
Kurz klang routiniert. Die Fragen kamen auch bei ihr wie aus einem unsichtbaren Skriptbuch. Er konnte mit seiner Assistentin zufrieden sein.
»Woher kannten Sie Thierry Clerceau?«
»Diesen Möchtegernjournalisten, der als Enthüllungsreporter den ganz großen Wurf landen wollte?«
»Wenn Sie ihn so beschreiben möchten, Frau Langsdorf, bitte sehr. Aber woher kennen Sie ihn? Und welche Arbeit hat er für Sie erledigt?«
»Der gute Thierry! Sah nicht schlecht aus, war früher mal einer meiner Liebhaber … Ich konnte sie mir aussuchen. Das können Sie sich nicht vorstellen, oder?«
»Es geht nicht darum, was ich mir vorstellen kann«, erwiderte Frau Kurz, »wie hat er für Sie gearbeitet? Was hat er für Sie und Marcion erledigt?«
»Gearbeitet? Dass ich nicht lache! Das war überhaupt nicht sein Ding, er kam immer angekrochen, wenn er pleite war, hat nie etwas auf die Reihe gekriegt. Ich dachte, er sei der Richtige für den Job.«
»Und wie sah sein Job aus?«
»Einfach, wirklich einfach, sonst wäre er in der Lage gewesen, ihn zu vermasseln.« Sie stockte. »Hat er schließlich auch, mit diesem Anrufbeantworter. Dieser Idiot, statt aufzulegen, spricht er seinen Text aufs Band.«
»Das Stichwort, um die Selbstmorde auszulösen.«
Ellen Langsdorf fixierte ihr Gegenüber. »Kein Stichwort, es war ein Befehl, werte Frau Kommissarin, mein Befehl.«
Sandra Kurz wartete etwas, bevor sie ihre nächste Frage stellte. »Sie sind doch anscheinend nicht dumm, Frau Langsdorf. Wieso haben Ihnen die horrenden Kursgebühren, die Ihnen ja doch ein schönes Leben verschafften, nicht gereicht?«
»Ja, wieso wohl?« Sie beugte sich über den Tisch und zischte: »Ich wollte sie auslöschen, sie sollten verschwinden wie meine Stiefschwester.«
»Ich verstehe nicht.«
»Ja, das Verstehen lernt man nicht auf der Polizeischule, was? Aber ich werde es Ihnen erklären. Hören Sie gut zu, dann lernen Sie was fürs Leben. Mein Vater war ein reiches charakterloses Schwein und hat Mutter noch vor meiner Geburt verlassen, er konnte nicht schnell genug fortlaufen. Uns hat er in einem Dreckloch sitzenlassen, um mit seiner neuen Familie, Stiefmutter, Stiefbrüder, Stiefschwester, in Saus und Braus zu leben, alles nur vom Feinsten.«
»Und was haben Sie gemacht?«
»Ich? Überhaupt nichts. Diese verwöhnte Zicke von Stiefschwester hat sich das Leben genommen, einfach so, ganz ohne mein Zutun, und mein Vater hat gelitten wie ein Hund, ich hab ihn am Grab gesehen.« Ellen Langsdorf lächelte, versunken in der Erinnerung. »Ich wollte es immer wieder spüren, sein Leiden, überhaupt das Leiden … Können Sie das verstehen?«
Sandra Kurz schüttelte den Kopf.
Kommissar Bender wandte sich Lea zu. »Na, das wäre es dann gewesen, im Großen und Ganzen. Ich denke, wir haben eine Chance, Herrn Schäfer alias Marcion festzusetzen. Der Staatsanwalt wird ihn und Frau Langsdorf wahrscheinlich wegen gemeinschaftlichen Mordes anklagen, diesen Thierry Clerceau vermutlich wegen Mittäterschaft. Der Staatsanwalt wird sich freuen, so üppig ist die Anklagesammlung nicht oft: Planung eines gemeinschaftlichen Mordes, die mittelbare Durchführung über diesen Monsieur Clerceau, Freiheitsberaubung, Körperverletzung, und das alles in mehreren Fällen, bei Ihnen, Frau van der Neer und den anderen, die auf dem USB-Stick aufgelistet sind.«
»Wie stehen die Chancen vor Gericht?«
»Da bin ich zuversichtlich. Frau Langsdorf hat, wie Sie soeben verfolgen konnten, gestanden, den gesamten Ablauf geplant und organisiert zu haben. Und wir haben Ihre Aussage und die von Frau Schlüter. Bei den Beweggründen haben wir sogar eine ganze Palette niederer Motive. Hass, Rache, Geltungsbedürfnis, Machtstreben und Gier.«
Lea blickte nachdenklich in den Verhörraum, in dem Ellen Langsdorf noch zu verschiedenen Details befragt wurde. Letztlich hatten Johannes und Alexander van der Neer doch recht gehabt mit ihrer Vermutung, dass Ellen schon in der Jugendzeit Susanna ausgewählt hatte. Sie hatte von Anfang an das Bestreben, sie auszunutzen und zu manipulieren. Die Freundschaft mit Susanna hatte wohl eine Zeitlang ihre eigene verquere Welt verblassen lassen. Es hätte ein anderes Mädchen ebenso zufällig treffen können, wenn es nur aus einem reichen und intakten Elternhaus gekommen wäre. Susanna van der Neer hatte einfach nur in Ellens Raster gepasst. Später waren ihr Manipulationen wie bei Susanna van der Neer nicht mehr genug. Die Vorstellung, junge Frauen
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