Mephistos Erben: Kriminalroman (German Edition)
lässt. Sie sprach von unverzeihlichen Fehlern und dass so alles auffliegen könnte.«
»Was ist weiter geschehen?«
»An dem Abend, als Frau Doktor Johannsen bei uns war, habe ich nichts mehr mitbekommen, ich habe gegen 19 Uhr Feierabend gemacht und bin nach Hause gefahren.«
Franz Bender machte einen durchaus zufriedenen Eindruck. Er goss Wasser in ein Glas und schob es Frau Schlüter über den Tisch, die in großen Schlucken daraus trank.
»Nun, Frau Schlüter, noch einen anderen Punkt müssen wir klären. Die Datei, die Marcion auf Ihrem PC, sagen wir mal, vergessen hat: was ist mit der geschehen?«
»Die habe ich auf einen USB-Stick gezogen. Ich weiß eigentlich nicht mehr genau, wie ich auf die Idee gekommen bin. Jedenfalls war die Datei am nächsten Tag von meiner Festplatte verschwunden. Ich denke, dass entweder Marcion oder Frau Langsdorf sie gelöscht haben.«
»Und Sie waren es auch, die diesen Stick im Februar an Frau Doktor Johannsen geschickt hat, richtig?«
Dana Schlüter nickte.
»Frau Schlüter, bitte antworten Sie für das Protokoll.«
»Ja, ich habe den USB-Stick an Frau Johannsen geschickt.«
»Warum haben Sie das getan?«
»Ich hörte Frau Langsdorf und Marcion über Frau Johannsen sprechen, es ging dabei um Erinnerungen, und dass man etwas mit allen Mitteln verhindern müsse. Ich habe es mit der Angst zu tun bekommen und beschlossen, das ISG zu verlassen. Also eher: unterzutauchen.« Dana Schlüter sprach nun mit klarer, fester Stimme. Die Tränen waren getrocknet, und sie wirkte entschlossen, bei der Klärung der Ereignisse mitzuhelfen. Die Worte »vielleicht« und »weiß nicht« waren aus ihrem Wortschatz ebenso verschwunden wie die Unbestimmtheit aus ihren Gesten.
»Hatten Sie noch einen anderen Grund, die Dateien an Frau Doktor Johannsen zu schicken?«
Kommissar Bender stellte Frage um Frage nach einem Konzept, das systematisch die Wahrheit einkreiste.
»Nein, ich wollte nur nicht, dass noch irgendetwas Schreckliches passiert.«
»Warum haben Sie den Stick nicht an die Polizei geschickt?«
»Es war einfacher, ihn Frau Johannsen zuzuschicken. Von ihr hatte ich Namen und Adresse. Außerdem wollte ich Zeit gewinnen.«
Bender nickte. »Und warum haben Sie uns nicht von Ihrem Unterschlupf in München aus angerufen?«
»Ich hatte Angst. Sie hätten Marcion bestimmt gesagt, dass ich Ihnen Informationen geliefert habe. Marcion kann einem wirklich Angst machen. Ich wollte erst einmal so weit weg wie irgend möglich.«
»München ist nicht so weit.«
»Nein, das sollte eine Zwischenstation sein. Meine Freundin lebt dort, ich kenne sie seit der Schulzeit, sie hat einen kleinen Blumenladen, da habe ich eine Zeitlang mitgeholfen. Ich habe gedacht, dass ich erst mal bei ihr in Sicherheit bin.«
»Was ist eigentlich mit Ihren Schildkröten?«
»Sie haben meinen Nachbarn befragt?«
»Haben wir.«
»Orpheus und Eurydike. Ich habe sie eingepackt.«
»Was?«
»Orpheus und Eurydike, so heißen meine Schildkröten. Griechische Landschildkröten. Ich habe sie in einer kleinen Transportbox mitgenommen.«
»Gut, Frau Schlüter, wir belassen es für heute dabei. Sie können gehen. Aber Sie halten sich zu unserer Verfügung. Wissen Sie, wo Sie übernachten können?«
Dana Schlüter nannte eine Adresse in Oberursel, und Bender beauftragte die junge Beamtin, die während der gesamten Befragung im Raum geblieben war, die Adresse festzuhalten.
»Frau Schlüter –«
»Ja, Herr Kommissar?«
»Sie sollten Kopfsalat kaufen.«
»Wieso?«
»Für Orpheus und Eurydike. «
Erleichtert verabschiedete sich Dana Schlüter von Franz Bender und verließ das Vernehmungszimmer. Der Kommissar kam zu Sandra Kurz und Lea in den Nebenraum. »So klären sich die Dinge langsam«, sagte er.
»Das wurde aber auch Zeit«, erwiderte Frau Kurz, »und jetzt wird es richtig interessant. Wir werden unsere herzige Frau Langsdorf mal mit Angelegenheiten konfrontieren, die nicht aus dem Jenseits stammen.«
Bender wandte sich an Lea: »Wie sieht es aus, Frau Doktor, haben Sie Interesse, die Befragung weiterzuverfolgen?«
Lea überlegte. Kommissar Bender bemerkte ihr Zaudern. »Wir können es Ihnen auch im Nachhinein berichten, wenn es Ihnen angenehmer ist.«
»Nein«, entschied Lea und sah den Kommissar an, »vielleicht ist jetzt der Zeitpunkt, alles zu erfahren. Den möchte ich nicht verpassen.«
»Verstehe: die Stunde der Wahrheit«, sagte Franz Bender. »Hoffentlich wird daraus keine
Weitere Kostenlose Bücher