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Meridian

Titel: Meridian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amber Kizer
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entsetzlichen und abstrusen Alptraum. »Schon gut.«
    »Ich bin nicht übergeschnappt, junges Fräulein«, entgegnete Dad nachdrücklich und mit ernster Miene.
    Wir bogen in den Parkplatz von Costco ein.
    »Kannst du gehen?«, fragte er mich.
    Ich fühlte mich zwar schon viel kräftiger, hatte aber immer noch Muskelkrämpfe wie bei einer hartnäckigen Grippe.
    Dad half mir auf die Beine, hakte mich unter und schleppte mich durch die langen Gänge mit Großpackungen. Dabei schaute er ständig über die Schulter, als rechne er mit Verfolgern. Während wir den Gang entlanghetzten, prallten die Taschen, die er geschultert hatte, immer wieder gegen die Regale.
    Als wir durch eine Tür mit der Aufschrift
Nur für Mitarbeiter
traten, wehte mir ein kräftiger Wind entgegen, der mein Haar zerzauste und mir auf den Wangen brannte. »Dad?«
    Unmittelbar vor der Tür stand ein Taxi. Ein ungepflegter Kerl, Typ Skateboardfahrer und nicht viel älter als ich, stieg aus und begann wortlos, Dad Gepäckstücke abzunehmen und sie ins Taxi zu laden.
    Dad hatte den Blick eines Tieres, das in der Falle saß. »Ich muss zurück zu deiner Mutter und deinem Bruder. Komm nicht mehr nach Hause. Du wirst uns dort nicht antreffen. Vielleicht sehen wir uns eines Tages wieder. Du wirst nie allein sein, Meridian. Niemals. Wir werden dich immer lieben. Doch den Rest des Weges musst du ohne uns gehen.«
    »Was ist los? Was wird hier gespielt?« Vor lauter Tränen bekam ich kaum einen Ton heraus.
    Dad wies auf den Taxifahrer. »Das ist Gabe. Er wird dich zum Busbahnhof bringen. Du fährst zu deiner Tante.«
    »Nach Colorado?«
    Er nickte. »Sie kann dir helfen. Aber du musst vorsichtig sein. Sehr, sehr vorsichtig. Halte dich von Menschen fern, die krank sind oder im Sterben liegen. Hast du mich verstanden? Wenn du so jemanden siehst, lauf davon, bis du bei deiner Tante bist.« Er umklammerte fest meine Oberarme.
    Ich begriff nicht, was er von mir wollte.
    »Versprich es mir, Meridian. Versprich mir, dass du einen Bogen um todkranke Menschen machst, bis du bei deiner Tante bist.« Er schüttelte mich. »Versprich es!« Noch nie hatte ich bei meinem Vater eine so eindringliche Miene gesehen. Er machte mir Angst.
    »Ich verspreche es«, stammelte ich.
    »Sie sind da.« Gabes heisere Raucherstimme brach den Bann, in dem der Blick meines Vaters mich hielt.
    »Jetzt musst du gehen. In deinem Mantel steckt ein Brief an dich.«
    Als ich blinzelnd auf den Rücksitz des Taxis schaute, erkannte ich endlich, dass es sich bei dem Gepäck um meine Reisetasche und meinen Campingrucksack handelte. »Ich will aber nicht …«
    »Vertrau mir. Du musst.« Dad küsste mich auf die Stirn und schob mich ins Taxi. »Verhalte dich unauffällig. Bald hast du es überstanden, Ehrenwort.«
    Bevor ich etwas erwidern konnte, schloss er die Tür und verschwand wieder im Lagerhaus. »Dad? Daddy!«, rief ich.
    »Am besten bist du still und legst dich hin. Sonst sehensie dich noch«, sagte Gabe mit einem Blick in den Rückspiegel.
    »Wer?«
    »Die Bösen, besser kann ich es nicht erklären.«
    »Die Bösen?«
    »Und weißt du, wohin du gehörst?« Er lächelte traurig.
    »In die Klapsmühle?«
    »Nein, zu den Guten.« Das Taxi verließ den Parkplatz. Ich stützte den Kopf in die Hände. Das musste doch ein Traum sein. Oder?

Kapitel 2
     
     
    »Hallo, Kleine, wir sind da.« Gabe ging vom Gas und bremste.
    »Da?«, wunderte ich mich, weil ich diesen Teil der Stadt nicht kannte.
    »Am Busbahnhof. Wahrscheinlich überwachen sie die Flughäfen. Setz das da auf, um deine Haare zu verdecken.« Er gab mir eine Baseballkappe mit dem Emblem der Portland Trail Blazers. »Geld und Fahrkarte sind im Rucksack.«
    »Fahrkarte?« Es gelang mir kaum, seine Worte zu wiederholen. Sosehr ich mir auch Mühe gab, ich verstand das alles nicht.
    »Dorthin, wo du hinfährst.« Während ich ausstieg, lud er das Gepäck aus. Ich hatte Schmerzen. Mein Mund war staubtrocken.
    »Wohin fahre ich denn?«, fragte ich. Hatte Dad nicht von Colorado gesprochen?
    »Keine Ahnung. Ich will es auch gar nicht wissen, damit ich später alles glaubhaft abstreiten kann. Ich tue bloß einem Freund einen Gefallen.«
    »Was?«
    »Mir ist nur bekannt, dass du Menschen hilfst, in denHimmel zu kommen. Alles Weitere musst du mit jemandem besprechen, der besser informiert ist als ich.«
    Ich helfe Menschen, in den Himmel zu kommen. Hat der Typ eine Schraube locker?
    »Hier ist ein Brief von deiner Mom. Und immer den Ball flach

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