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Merlin und die Fluegel der Freiheit

Merlin und die Fluegel der Freiheit

Titel: Merlin und die Fluegel der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas A. Barron
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hinter den ziehenden Wolken musterte mich gelassen.
    »Unmöglich!« Ich kniete auf dem Felsen nieder und umfasstemit einer Hand die andere. »Selbst wenn ich eine Armee auf die Beine stellen könnte, würde ich nicht wissen, wie ich sie führen
     sollte. Ich kann kämpfen, sicher, aber ich bin immer noch kein Krieger. Nein, nein, ich bin etwas anderes – ein Seher vielleicht,
     wenn auch nicht mit den Augen. Oder ein Heiler oder eine Art Barde.«
    »Oder ein Zauberer«, erklärte Dagda. »Und ein Mann, der den Frieden weitaus mehr liebt als den Krieg. Aber es gibt Zeiten,
     muss ich dir sagen, in denen selbst ein friedlicher Mann sich dem Unrecht in den Weg stellen muss, wenn es das Land, das er
     liebt, bedroht. Und die Menschen, die ihm nahe sind.«
    Ich presste die Hände zusammen und senkte den Kopf. Nach einem langen Augenblick hob ich wieder das Gesicht. »Nur zwei Wochen?
     Das ist so gut wie nichts.«
    »Es ist alles, was wir haben«, erklärte das Antlitz in der Höhe. »Um dich in der längsten Winternacht zu behaupten, wirst
     du deinen größten Feind besiegen müssen, nichts weniger.«
    »Aber sag mir«, bat ich, »gibt es eine reale Chance zu siegen? Überhaupt eine Chance?«
    Dagda betrachtete mich lange, bevor er antwortete. »Ja, es gibt eine Chance. Aber alle Fäden Fincayras in allen ihren Farben
     müssen zu einem festen Seil gedreht werden. Und damit das geschieht, muss der seltenste aller Samen endlich seine Heimat finden.«
    Verblüfft schüttelte ich den Kopf. »Der seltenste aller Samen?« Ich klopfte auf meinen Lederbeutel. »Meinst du den hier drin?«
    »Vielleicht, obwohl ein Samen viele Formen annehmen kann.« Plötzlich hellten sich die silbernen Falten seines Gesichts auf,
     während die Stimme tiefer wurde, so dass jedesWort in der Nachtluft hallte. »Hör auf diese Worte, junger Zauberer: Fincayras Schicksal war nie zweifelhafter. Du magst Einheit
     in Trennung finden, Stärke in Schwäche und Wiedergeburt im Tod, aber selbst das reicht vielleicht nicht, um unsere Welt zu
     retten. Denn zu bestimmten Zeitenwenden ist alles in Wahrheit verloren, wenn alles in Wahrheit gewonnen ist.«
    Wind fegte über den Hügel und heulte in den Bäumen unten. Allmählich wurden die Wolken am Himmel dünner und rissen auf. Ich
     sah zu, wie Dagdas Gesicht verblasste, bis es schließlich völlig verschwand. Nur seine Worte blieben zurück und pochten wie
     Fieber in meinem Kopf.
    Dann hörte ich etwas anderes – ein seltsames, unheilvolles Knarren. Undeutlich klang es, als öffnete sich eine ferne Tür.

V
STRAHLENDER GEIST
    E ndlich graute der Morgen, aber so zögernd und trüb, dass er nur eine Verlängerung der träge scheidenden Nacht zu sein schien.
     Grau verwaschene Wolken hingen am Himmel und verdunkelten das waldige Gelände und den grasigen Hang, an dem wir gelagert hatten.
     Die Luft war zwar stiller als in der vergangenen Nacht, doch sie fühlte sich noch kälter an. Kein Geflüster regte sich in
     den Bäumen, kein Singvogel meldete den Tagesanbruch.
    Ich zog mir den Kragen meiner Tunika übers Gesicht und schauderte. Und das nicht nur wegen der Morgenkälte. Ob ich nach der
     Vision von Dagda noch Schlaf gefunden hatte, wusste ich nicht genau. Ich erinnerte mich nur, wie ich den Hügel hinuntergestolpert
     war und mich bemüht hatte im Finstern nicht zu fallen. Aber die Vision selbst und die Worte, die Dagda gesprochen hatte, waren
     so tief in mein Gedächtnis eingebrannt wie die sieben Symbole der Weisheit in meinen Stock. Dunkel erinnerte ich mich an einen
     Traum, bevor sein Gesicht in den Wolken erschienen war – etwas vom Fliegen oder Fallen. Aber die harte Realität seiner Worte
     hatten diese Erinnerung verdrängt.
Fincayras Schicksal war nie zweifelhafter.
    Ich spürte Hallias warmen Atem im Nacken und rollte mich herum. Mit Augen so tief wie die tiefsten Teiche betrachtete sie
     mich liebevoll. Ich setzte mich auf und streichelte ihr zart die Wange.
    Sie schob sich ein Haar aus der Stirn. »Du hast schlecht geschlafen, nicht wahr?«
    »Ja. Woher weißt du das?«
    »Ich weiß es einfach. Dein Gesicht – ist merkwürdig bewölkt.«
    Ich erstarrte bei dieser Wortwahl.
    Sie senkte kurz den Blick. »Auch ich habe schlecht geschlafen. Oh, junger Falke, ich hatte einen schrecklichen Traum.«
    Sanft legte ich den Arm um sie. »Kannst du mir erzählen, worum es ging?«
    »Um . . .« Sie biss sich auf die Unterlippe. »Um den Verlust von jemandem, den ich liebe.«
    Ich zog sie fester

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