Merlins Drache 01 - Basilgarrad
das komplizierte Gekrakel und las laut, wobei seine kratzige Stimme einen merkwürdigen neuen Tonfall hatte.
»Jetzt müssen alle ihn preisen, den König Gabbledar. Betretet seine Unterländer, verehrt die Finsternis. Sucht nur zu dienen, schützt alle seine Gnome. Tötet jene, die drohen, verschont nichts und niemanden.«
Basil schluckte schwer und hörte auf zu lesen. Gnome! Sie waren es also, die diesen Tunnel gruben. Die den Lehm mit dieser Warnung beschrifteten. Die ihre Gesellschaft auf einem einfachen, grausamen Gedankenaufgebaut hatten:
Tötet jene, die drohen, verschont nichts und niemanden.
Er war so tief in Gedanken versunken, dass er die vorsichtige Bewegung in der schattigen Tunnelmündung so wenig bemerkte wie den leicht salzigen Geruch, der in die Luft stieg. Oder die heftigen Windstöße in der Höhe.
Plötzlich brachen Geschrei und Geheul aus. Drei untersetzte Gnome mit Armband und Lendenschurz kamen aus dem Tunnel gerannt. Ihre zornig aufgerissenen Münder zeigten gezackte, fleischreißende Zähne. Obwohl sie nur halb so groß wie Menschen waren, deuteten ihre muskulösen Körper Kraft an. Stämmige Arme schwangen Steinäxte und tödliche Speere.
Mit wilden Schreien stürzten sie sich auf Basil. Er hatte noch nicht einmal Zeit, seine Flügel zu öffnen, da packten schmutzige, dreifingrige Hände schon seinen Körper. Und drückten fest zu.
In diesem Moment begann der Hügel unter ihm zu beben. Die glatte braune Oberfläche wurde kraus und bekam Blasen – dann, ganz plötzlich, dehnte sie sich aus. Eben noch so groß wie ein Baumstumpf, schoss der Hügel jetzt hoch und wurde schnell so groß wie die Gnome, dann verdoppelte er diese Höhe, verdoppelte sie wieder. Vier Arme schossen aus den Seiten, jeder mit ungeheuer langen Fingern. Oben erschien ein Kopf über runden Schultern. Tief sitzende dunkelbraune Augen zeigten sich über einem geschwungenen Mund.
Die Lehmbildnerin brüllte und verscheuchte die Gnome. Alle vier Arme schwingend trat das große Geschöpf zum Tunnel, die Füße patschten im Lehm. Die erschrockenen Gnome ließen Basil fallen und sprangen zurück in das Loch, ihr Kreischen hallte im Tunnel wider.
Dankbar schaute Basil zu dem großen Geschöpf auf, das so plötzlich erschienen war. Er keuchte immer noch vor Angst, als er rief: »Aelonnia! Du bist es!«
»Wieder treffen wir uns«, sagte sie mit ihrer kräftigen, wohlklingenden Stimme. Anmutig beugte sie sich herunter und betrachtete ihn mit ihren braunen Augen. »Nicht größer ist dein Körper geworden … aber jetzt vielleicht größer deine Weisheit.«
Basil schüttelte sich von der Nase bis zum Schwanz, er bekam das Gefühl nicht los, dass lehmige Hände ihn packten. »Nicht sehr, fürchte ich.« Er blinzelte zu ihr hinauf. »Danke, Aelonnia. Es ist immer eine Freude, dich zu sehen. Besonders da du offenbar ein Talent dafür hast, mir das Leben zu retten.«
»Ich glaube, dass es sich lohnt, dein Leben zu retten.«
Ihm fiel ein, dass er diese Worte vor langer Zeit gehört hatte, und er erstarrte. »Das hat Aylah mir gesagt.«
»Diesmal glaubst du es vielleicht.«
Die Lehmbildnerin schaute auf. »Und hier ist sie jetzt, diese Schwester des Winds.«
»Wie schön, wieder bei dir zu sein, Aelonnia«, flüsterte eine Stimme.
»Und mit dir, meine ruhelose Freundin.« Die Lehmbildnerin wandte sich warnend an Basil: »Trödle nicht, Kleiner. Die Gnome – zurückkommen werden sie bald mit noch mehr Kriegern und Waffen. Jetzt aufbrechen solltest du, um der Gefahr aus dem Weg zu gehen.«
Missmutig schüttelte Basil den Kopf. »Nicht sie sind die wirkliche Gefahr. Rhita Gawr ist hier in Avalon! Es ist wahr, Aelonnia. Ich habe ihn in Steinwurzel gesehen, er hatte sich als Blutegel getarnt.«
Die Lehmbildnerin versteifte sich im ganzen Körper. Nur ihre schlanken Finger bewegten sich, sie schwangen durch die Luft. »Rhita Gawr? Hier?«
Basil nickte grimmig. »Dagda hat mir aufgetragen, alle zu warnen. Besonders Merlin.«
Ihre Finger erstarrten. »Hier war er, erst vor drei Tagen.«
»Vor drei Tagen?« Basil zitterte von der Schnauze bis zum Schwanz vor Erregung. Er schaute hoch und sagte: »Aylah, können wir ihn einholen?«
»Ich bin mir nicht sicher, kleiner Wanderer. Ein Zauberer kann sich so schnell wie der Wind bewegen. Aber ich werde es jedenfalls versuchen.«
»Auf der Suche war er«, sagte Aelonnia. Ihre langen Finger bewegten sich wieder in geheimnisvollen Mustern, als binde sie unsichtbare Fäden zusammen.
Weitere Kostenlose Bücher