MERS
überprüfte Daniel sein Spiegelbild, richtete die Mütze und zog den Bauch ein. Er bekam Bauchschmerzen und zuckte zusammen. Das war immer der schlimmste Augenblick. So, als ob man vom Beckenrand springen würde und genau wüßte, wie kalt das Wasser war.
Bis zu diesem Augenblick ging nur einer von ihnen ein Risiko ein, wenn er gestoppt wurde. Bert hatte Feuerwaffen und Sprengstoffe bei sich. Er wollte es so haben. Daniel war sauber. Er trug keine Waffe, hatte kein Gesetz übertreten. Jetzt riß er sich zusammen. Dies war der schlimmste Augenblick und der beste. Er zupfte keck am Saum seiner Uniformjacke und betrat durch die doppelt gepanzerten Glastüren die Klinik, ging an dem NatSich-Mädchen vorüber, das im Innern herumlümmelte. Er nahm ihren hastigen Gruß zur Kenntnis und trat an die Rezeption.
Vier Türen führten aus dem Klinikfoyer hinaus. Es gab zwei Aufzüge, und zwei geschwungene offene Treppenhäuser hingen an dünnen Kohlefaserdrähten. Daniel holte sich den Plan des Architekten vor Augen. Hinter ihm führten die Türen zur Straße hinaus, zur Linken war das Treppenhaus, vor ihm waren die Aufzüge, dann kam der Eingang zum Wartezimmer für Patienten und Pfleger, rechts davon lagen die Rezeption und der Personaleingang, und in der Wand des Foyers zur Rechten gab es eine Tür zum Wartungsbereich und zum Hinterausgang des Gebäudes. Die Aufzüge und das Treppenhaus führten zum Verwaltungszentrum der Klinik, und darüber lagen die Korridore des vermieteten Bürobereichs, der jeden Abend nach sieben Uhr leer war.
Das Foyer war in blauen Schattierungen gestrichen, dicke Teppiche lagen auf dem Boden, und ein großes, lichtreflektierendes abstraktes Gemälde hing hinter dem Treppenhaus. Gegenwärtig gab es genügend Tageslicht, daß das Gemälde zwischen Gelb- und Weißtönen schimmerte. Bald setzte das künstliche Licht ein, das sich langsam in zufälliger Abfolge verändern würde, um institutionelle Monotonie zu vermeiden, und das Gemälde würde in zarten Purpurtönen darauf antworten. Es war eine teure Ausstattung, für teure Kunden.
Vor der Rezeption schlug Daniel die Hacken zusammen und lächelte die Frau dahinter an.
»Guten Abend. Hallo. Mein Name ist Ryder. Lieutenant Daniel Ryder.« Er holte seine NatSich-Karte hervor und zeigte sie ihr. »Sie können Commander Breitholmer sagen, daß ich jetzt hier bin.«
Sie benutzten die eigenen Namen. Das machte alles einfacher.
Der Anstecker der jungen Frau identifizierte sie als Marie. Sie trug grünen Lidschatten und eine sehr enge Bluse. Sie suchte auf dem Bildschirm.
»Ich fürchte, hier ist kein Commander Breitholmer.«
Daniel blickte sich langsam im Foyer um. Es war leer, die NatSich-Wächterin hatte sich an der Tür aufgebaut, die Hand auf dem Funkalarm, wie im Handbuch vorgeschrieben. Er wandte sich wieder Marie zu.
»Commander Breitholmer. Von NatSich. Würden Sie das bitte überprüfen? Breitholmer.« Er buchstabierte es für sie.
Marie wartete höflich. Den Namen konnte sie kaum leicht mißverstehen. »Ich fürchte, es sind keine Nat-Sich-Officer im Haus. Nur die Wächterin hinter Ihnen und die mobile Bewachung irgendwo ums Gebäude herum.«
»Ah, ja.« Daniel runzelte die Stirn. »Meine Befehle lauten, mich hier mit Commander Breitholmer um einundzwanzig Uhr zu treffen.«
Die Empfangsdame blickte auf ihre Uhr. »Das ist es genau.«
Es war zwei Minuten später.
Daniel fing ihren Blick auf und lächelte wieder. »Kein Commander Breitholmer?«
»Kein Commander Breitholmer.«
»Wie es aussieht, hat er sich verspätet.«
»Wie es aussieht, hat er sich verspätet.«
Sie war eine auffallend junge Frau, und sie kam zu dem Schluß, daß ihr gefiel, was sie sah. Dumme Kuh.
»Ich warte besser. Obwohl, es sieht ihm nicht ähnlich…« Er schob seine Mütze ein wenig zurück und stützte sich auf ihren Schreibtisch. »Arbeitet so spät jemand?«
»Nur die Krankenschwestern. Nach der Besuchszeit ist es hier wie in einem Leichenschauhaus. Ich guck meistens Fernsehen.«
Sie deutete auf ihren Bildschirm, drückte ein paar Knöpfe, so daß sich ein Programm einschaltete, und wackelte rasch zu der Musik. Daniel blickte wieder auf die Uhr, dann durch die Glastüren hinaus. Gegenüber lag eine Bank, deren Türen und Fenster verriegelt waren. Die Straße war ruhig. Er wandte sich wieder an Marie.
»Ich rufe wohl besser an. Darf ich Ihr Telefon benutzen?«
Sie schaltete das Fernsehprogramm ab und schob ihm angeberisch das Telefon mit einem
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