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MERS

MERS

Titel: MERS Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.G. Compton
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höchsten Punkt der Stadt, und im Sommer waren die Eltern aus dem Landesinnern imstande, ihre Kinder mit Pedalkraft herzubringen. Vor den Winden, die vom Meer wehten, durch eine letzte Erhebung und eine Reihe moderner Häuser geschützt, lag die Schule östlich oberhalb der Kräne auf den Lehmdämmen und an der tiefen Spalte des gewundenen, von der Tide abhängigen Flußtals. Unten, zwischen den fernen Bäumen, waren die schimmernden Dächer der Brandt-Laboratorien.
    Gleich hinter dem Geländer sammelte Bess ihre Kinder. »Jetzt hör zu, Sprößling, und hör gut zu! Ich werde heute bis in den späten Nachmittag hinein im Haus der Illusionen arbeiten, also werde ich dich nicht von der Schule abholen können. Dazu übergebe ich die Verantwortung an Daniel.« Von der Schule her tönten schwach die vertrauten, höhnischen Stimmen der Männer. Bess hockte sich auf die Fersen und zog Harriet und Daniel beschützend näher. »Geht nach der Schule schnurstracks heim! Ich werde gegen fünf kommen. Papa ist vielleicht früher zu Hause. Du hast den Schlüssel?«
    Daniel nickte: der Schlüssel steckte in seiner Hosentasche und war mit einem Stück Schnur an seinem Gürtel befestigt. Das Rufen der Männer wurde lauter, es war durchsetzt von einem heiseren, ärgerlichen Gelächter.
    »Die Irren sind gut in Form, wie ich höre.« Bess seufzte. »O ja. Sie machen nur Krach, und sie sind vielleicht heute nachmittag nicht hier. Und wie dem auch sei, wenn ich nicht da bin, wird dir nichts zustoßen. Ich hab dir schon gesagt, daß lediglich Titten ihre verabscheuungswürdige Leidenschaft erregen. Also hör zu, was ich sage. Tu, was dein Bruder dir sagt, Harri! Und Daniel – ich zähle auf dich!«
    Er nickte erneut, sein Blick wanderte an ihr vorüber, er suchte nach seinen Freunden.
    »Tut mir leid, daß ich so lange arbeite, aber dagegen kann man nichts machen. ›Alban der Zahn‹ hat heute nachmittag frei, um seinen Freund zu besuchen. Der ist im Krankenhaus. AIDS, armer Kerl.«
    Beide Kinder waren zappelig. Bess umarmte sie kurz, stand auf und ging mit ihnen die kurze Strecke die Straße entlang zur Schule. Die übliche Menge an Elternteilen stand herum, zumeist waren es Mütter, und auf der anderen Straßenseite standen die üblichen Irren, Männer mit wildem Haar, in Jeans und schäbigen Jerseyjacken. Harriet ging mit abgewandtem Kopf an den Irren vorüber, sah nicht hin. Sie waren nicht gefährlich, aber sie waren wild, und sie machten häßliche Gesten und häßliche Geräusche, und manchmal warfen sie Dinge nach den Müttern. Normalerweise war ein Polizist hier, aber er konnte sie nicht immer daran hindern. Harriet hob das Gesicht, damit ihre Mutter sie küssen konnte, und lief dann über den Schulhof zu ihrem Klassenzimmer, wobei ihr Ranzen auf- und niederhüpfte.
    »Verdammte Lesben«, hörte sie hinter sich. »Mit euch selbst zufrieden, eh? Verdammichte Fickweiber!«
    Fast alle Mädchen waren bereits hineingegangen. Harriet spürte, wie sich ihr Reif beim Rennen im Gegenwind bewegte. Ihr kamen allmählich wieder Zweifel wegen des Samts.
    Daniel lungerte herum. Er war dem Kuß jener Frau ausgewichen und trödelte jetzt über den Schulhof. Sie würden bald die Türen schließen, und Petr formte mit dem Mund los, mach schon! aus einem der Fenster ihres Klassenzimmers, aber die Irren faszinierten ihn. Zum einen war die Bezeichnung ›Irre‹ lediglich ein Einfall jener Frau. Papa sagte, es seien überhaupt keine Irren, lediglich Arbeitslose von niederer Intelligenz. Und falls irgendwelche davon braun waren, so waren es möglicherweise Moslems, was, Papas Worten zufolge, einen gewissen Sinn ergab. Daniel blickte über die Schulter zurück. Zwei von denen waren sehr braun…
    Und zum anderen, sie benutzten Worte, die andere Leute nicht benutzten. Männer-Worte.
    Er blieb mitten auf dem Schulhof stehen, wandte sich ganz um und blickte durch den hohen Schulzaun auf die Männer. Er hielt seinen gepanzerten UN-Personaltransporter sehr fest, spürte dessen feste, rechteckige Kanten. Einer der Männer bemerkte ihn und rief ihm johlend etwas zu. Dies zog die Aufmerksamkeit der anderen auf sich, und sie johlten alle. Daniel dachte, daß sie ihn vielleicht auslachten. Er wich zurück und erreichte die Schultür gerade im Augenblick, als Mr. Barendt sie schloß. Er winkte den Männern zu, wodurch er ihnen zeigte, daß er keine Angst hatte, und trat ein.

    Der Tag, an dem alles anfing? War es dieser Tag, als Dr. Harriet Kahn-Ryders Leben

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