Messertänzerin
teuer verkauft. Vieledieser Wunderdinge kenne ich allerdings noch nicht. Was mich aber vor allem stutzig macht, ist, dass das Buch in mehreren unterschiedlichen Handschriften verfasst wurde.«
»Könnten es die seiner Alchemisten sein?«, fragte Divya.
Roc schüttelte zögernd den Kopf. »Er hat nur drei Alchemisten. Nicht zwanzig oder dreißig.«
Er schlug das Buch zu und drehte es in seinen Händen. Als er den ledernen Rücken betrachtete, leuchteten seine Augen auf. Er hielt ihn Divya vors Gesicht und deutete auf das Symbol einer goldenen Brücke.
»Das Zeichen der letzten Regierung«, erläuterte er atemlos. »Von diesem Buch hat Jidaho oft gesprochen. Es sollte bei einem großen Fest dem Volk übergeben werden und jeder sollte das Wissen nutzen dürfen.« Roc lachte leise auf. »Der Beweis wird Jidaho gefallen! Es hat ihn immer furchtbar geärgert, dass die Menschen Warkans Lügen geglaubt haben. Dass die alte Regierung nichts zustande gebracht hätte außer Feiern und Trinken.«
»Dann sollten wir es unbedingt mitnehmen«, freute sich Divya, »und es dem Volk zurückgeben.«
Roc lachte bitter auf. »Ein schöner Gedanke, aber ein bisschen spät. Und ein bisschen naiv, fürchte ich.«
Divya stöhnte. »Wie kannst du erwarten, dass das Volk euch glaubt, wenn ihr nicht an das Volk glaubt?«
Roc ging nicht auf ihre Kritik ein und drängte Divya zur Tür.
»Wir sollten zusehen, dass wir Jolissa den Schlüssel zurückbringen. Wenn Warkan den Diebstahl bemerkt, ist sie in großer Gefahr.«
Divya nickte, öffnete die Tür – und stand vor der Wache,die sie vorhin gehört hatten. Der Mann, der sichtlich nicht mit großen Herausforderungen auf seinem Rundgang gerechnet hatte, riss die Augen auf und griff erschrocken nach dem Säbel an seinem Gürtel. Divya dachte gar nicht erst lange nach. Fliehen konnten sie nicht und im nächsten Augenblick wäre der Wächter auch noch bewaffnet. Kurz entschlossen schlug sie mit dem dicken Buch nach seinem rechten Arm, und als die Waffe scheppernd zu Boden fiel, ging Divya auf ihn los und zog das Knie hoch in seinen Bauch. Während er sich krümmte, fasste er nach einer Kette, die um seinen Hals hing, und zog eine Art Flöte an die Lippen, die einen schrillen Warnpfiff von sich gab. Nur einen sehr kurzen Pfiff, denn mitten in diesem Geräusch wirbelte Divya um die eigene Achse und traf den Wächter mit dem Buch diesmal am Kopf, sodass er bewusstlos zusammensank.
»Bei allen Lichtern «, keuchte Roc hinter ihr und sah sie verblüfft an. Als er sich wieder gefangen hatte, wollte er Divya am Arm in Richtung Treppe ziehen, aber im gleichen Moment öffnete sich die Tür zur Wachstube und ein weiterer Wächter sprang heraus.
Divya wollte Roc zurufen, er solle fliehen, aber plötzlich war ihr Mund wie ausgetrocknet und der Blick des Wächters nagelte sie am Boden fest. Es war Tajan! Und er hielt einen Säbel in der Hand, den er auf Divya richtete.
Fesseln
Die Zeit schien in ihrem Stundenglas zu erstarren. Stumm sahen sich die beiden an, ohne sich zu bewegen.
»Lauf!«, flüsterte Roc.
Aber Divya schüttelte den Kopf. Sie wusste, dass sie zusammen nicht schneller sein konnten als Tajan. »Lauf du!«
»Über diese Treppe kommen gleich die anderen Wachen«, hörte Divya plötzlich Tajan sagen. Sie hatte mit einem Angriff von ihm gerechnet, nicht mit Worten.
»Der Wachraum hat einen schmalen Aufgang mit einer Leiter. Ich werde in der Zwischenzeit im hinteren Teil des Gangs nach Eindringlingen suchen«, fuhr er eher unfreundlich fort.
Divya wollte erleichtert an ihm vorbeistürmen, aber er hielt noch einmal den Säbel hoch und versperrte ihr damit den Weg.
»Zuerst lass hier, was du gestohlen hast!«
Er nickte mit dem Kopf in Richtung des Buches.
Divya sah ihm in die Augen und suchte darin den Freund und Lehrer, den sie gekannt hatte. Aber der schien heute nicht vor ihr zu stehen, trotz seiner unerwarteten Hilfe wirkte er so abweisend, als wäre sie lästiges Ungeziefer.
»Ich versichere dir, wir nehmen nichts mit, was Warkan gehört«, sagte sie eindringlich.
»Fallen lassen!«, drängte Tajan ungeduldig, aber jetzt konnte Divya schon fast eine Bitte aus seinem Ton heraushören.Er wurde unsicher! Sie glaubte zu verstehen: Er konnte sie keinesfalls mit diesem Buch gehen lassen, aber er brachte es auch nicht fertig, sie Warkans Gesetz auszuliefern, das nur eine Strafe für sie kannte. Sie beschloss, alles auf eine Karte zu setzen.
»Das kann ich nicht zurücklassen«,
Weitere Kostenlose Bücher