Messertänzerin
sagte sie flehend zu ihm und drängte an Tajans Säbel vorbei. Statt des Metalls schoss nun seine Hand vor und umklammerte ihren Arm. Er zog sie zu sich heran, seine Augen funkelten wütend.
»Hat er dich so weit gebracht?« Er deutete mit einer Kopfbewegung auf Roc, ohne den Blick von ihr zu lassen. »Ist er es wert, dass du zur Mörderin und Diebin wirst? Dass du für ihn sogar dein Haar färbst? Dass du dein Leben riskierst und alles leugnest, was du bist?«
»Nicht alle Männer verlangen von mir, dass ich etwas leugne«, erwiderte Divya kalt.
Feste Stiefel stampften über die Kellertreppe, und Tajan zog Divya am Handgelenk hinter sich her. »Wenn ich meine Ehre retten will, muss ich dich das nächste Mal wirklich töten«, zischte er, während er sie in den Wachraum stieß.
Hinter verschlossener Tür hörte Divya Tajans Stimme vom Ende des Ganges. »Hier entlang!«
Die Stiefel folgten ihm im Laufschritt.
Roc drängte Divya die Leiter hinauf, die tatsächlich in einer Ecke durch ein Loch in einen Wachraum im Erdgeschoss führte.
»Wo endet der Gang, in dem Tajan jetzt ist?«, fragte Divya nervös.
Roc musterte sie stirnrunzelnd. »In einem Keller voller Gerümpel. Dort kann man lange suchen. Aber wenn sie niemanden finden, weiß ich nicht, wie dein mürrischerFreund den anderen Wachen erklären will, wie wir dort entkommen sein sollen.«
»Er ist nicht mein Freund«, widersprach Divya.
»Immerhin hat er uns das Leben gerettet – obwohl er glaubt, ich wäre dein Liebhaber!«, sagte Roc grinsend.
»Oh … meinst du?«, fragte Divya, und ein Lächeln schlich sich auch auf ihr Gesicht. Dann aber erinnerte sie sich an Tajans kalten Blick, als er ihr gesagt hatte, dass er sie das nächste Mal töten würde. Und dieser Gedanke war mehr als ernüchternd.
Den nächsten Tag verbrachte Divya erneut in der Nähe der Märkte. Die Bewachung war deutlich schärfer geworden seit ihrem ersten Auftritt, und die Wachen machten es ihr auch heute nicht leicht, einen Punkt zu finden, wo sie gut zu sehen, aber nicht gut zu erreichen war. Sie tanzte auf vier Dächern, immer dort, wo die Menschen sich drängten. Zuerst kokettierte sie mit ihren weiblichen Bewegungen, dem Geräusch der metallenen Halas und mit den Drehungen, die ihre Vesséla zum Fliegen brachte. Dann aber unterbrach sie ihren Tanz abrupt und hob die Hände, womit sie die Aufmerksamkeit des gesamten Marktes auf sich zog – einschließlich der Wachen, die bereits in Richtung ihres Daches drängten, von der Menge nicht ganz unabsichtlich behindert. Aber ihr blieb noch ein wenig Zeit, die bewaffneten Männer mussten immerhin die Treppe nehmen.
»Heute möchte ich euch etwas fragen«, rief sie hinunter in die Menge. »Was ist die Aufgabe eines Herrschers? Ist es nicht so, dass er seine Bürger gut versorgen und unterstützen sollte, um ihren Wohlstand zu sichern?«
Unzufriedenes Raunen antwortete ihr. Offenbar wolltendie Menschen, dass sie weitertanzte, anstatt gefährliche Reden zu halten. Sie fürchteten wohl, dass sie sie damit in Schwierigkeiten brachte.
»Warum verkauft er die Erfindungen, die er angeblich für euch machen lässt, an euch so teuer? Der verbesserte Webstuhl, das Augenglas, das euch besser sehen lässt, und gar die erstaunliche Uhr oben am Kirchturm. Diese Dinge erleichtern das Leben der ganzen Stadt und sind zum Wohl aller da.«
Viele der Leute versuchten pikiert, Divya nicht mehr anzusehen, und betrachteten die Ware am nächstgelegenen Stand.
»Wisst ihr, dass er gar kein Recht hat, euch diese Erfindungen zu verkaufen?«
Einige Leute sahen erschrocken wieder zu ihr hoch.
»Diese Erfindungen gehören rechtmäßig euch! Er hat sie euch gestohlen!«
Nun wurden Buhrufe laut, und die Menge teilte sich wesentlich bereitwilliger vor der Wache, die zu ihr unterwegs war.
Triumphierend zog sie das Buch von ihrem Rücken, das sie dort festgeschnallt hatte, und hielt es hoch in die Luft.
»Ihr müsst mir nicht unbesehen glauben. Hier ist der Beweis! In diesem Buch sind alle Erfindungen aufgezeichnet, die schon längst euch gehören. Weil sie von einer Regierung in Auftrag gegeben wurden, die vor fünfundzwanzig Jahren zum Wohle des Volkes gearbeitet hat. Warkan stiehlt ihr Wissen, um sich bei euch beliebt zu machen, dabei …«
Divya bemerkte erst jetzt, dass die Wachen bereits auf der Treppe waren und dass es eng für sie wurde. Mit fliegender Vesséla und flatternden Haaren rannte sie los. KeinenHerzschlag zu spät, denn im gleichen
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