Metanoia - Du sollst Buße tun (Kommissar Pfeifers zweiter Fall)
waren
fettig und klebten strähnig an seinem Kopf. Jeglicher Glanz war aus seinen
einst so strahlenden, blauen Augen verschwunden. Es ging ihm nicht gut. Keine
Frage.
„Es tut mir so leid, Ben.“ Hilflos zuckte er mit
den Achseln. „Natürlich tut es das“, Ben drehte sich um und ging hinein. Verdutzt
blieb Christopher noch einen Moment stehen. Dann beschloss er, seinem Freund
ins Haus zu folgen. Zögernd trat er ein. Die Luft war schal und ein
eigenartiger Geruch waberte durch das hallenähnliche Wohnzimmer. Überall lagen
leere Getränkeflaschen und Essensreste herum. Der ehemals blütenweiße
Perserteppich war jetzt grau und fleckig.
Oh mein Gott, dachte Christopher und rümpfte die Nase. Auf der Suche nach dem Quell
des süßlichen Gestanks entdeckte er eine ganze Reihe von Räucherstäbchen in
kleinen, bronzenen Gefäßen, die aufgereiht auf dem weißen Hochglanzflügel standen
und feine, helle Rauchfäden absonderten. Einige hatten bereits Asche verloren,
die ungehindert auf dem kostbaren Steinway-Flügel gelandet war und dort munter
vor sich hinglühte. Chris konnte sich den Tobsuchtsanfall von Herrn Hausmann
lebhaft vorstellen. Ben hatte sein Heiligtum beschädigt, da war die Katastrophe
vorprogrammiert.
Bens Blick folgte dem seines Freundes. „Silke
mochte sie so gerne. Wir haben jedes Mal ein anderes Räucherstäbchen angezündet,
wenn sie hier war. Seit vorgestern brennen sie alle, ununterbrochen. Im
Gedenken sozusagen.“ Ben hatte sich auf der hellgrauen Chaiselongue seiner Mutter
niedergelassen und spielte gedankenverloren mit einer Fernbedienung.
Christopher ließ den Blick weiter durch das
Wohnzimmer der Hausmanns gleiten und mit jeder Minute wuchs sein Unbehagen.
„Sag mal, Ben, wie lange war die Putzfrau schon
nicht mehr hier? Und was in aller Welt hast du mit den Antiquitäten deiner
Mutter angestellt?“
Bens Mutter hatte früh ihre Sammelleidenschaft für
teure Antiquitäten aus aller Herren Länder entdeckt. Normalerweise präsentierte
sie ihre Errungenschaften auch stolz ihren Gästen. Sie drapierte sie so, dass
man quasi darüber stolpern und sie wahrnehmen musste. Nicht so heute. Das
kleine Biedermeier-Tischchen, welches ehemals Standort für das Telefon der
Hausmanns gewesen war, hatte nur noch drei Beine und lag umgekippt neben dem
offenen Kamin. Wenn Christopher sich nicht täuschte, ragte ein Stück des
vierten Beines noch aus der Asche heraus. Auch die wunderbare Lampe von Tiffany
fand sich in kleinen Stückchen in einer Ecke des Wohnzimmers wieder. Es hatte
den Anschein, als hätten auch die meisten anderen Stücke, wie zum Beispiel die
chinesische Bodenvase, Bens offensichtlichen Tobsuchtsanfall nicht heil
überstanden.
„Ben? Ich habe dich etwas gefragt! Das hier ist
Wahnsinn. Du brauchst Hilfe. Wo sind deine Eltern?“, versuchte es Chris noch
einmal. Doch sein Freund reagierte nicht. Er saß einfach teilnahmslos da und
starrte ins Kaminfeuer. „Ben! Wie viel von Maltes ´Selbstgebrautem` hast du
genommen?“, fragte Chris einer plötzlichen Eingebung folgend. Da blickte sein
Freund auf und Chris erschrak über die unendliche Trauer in seinen Augen.
Tonlos antwortete Ben: „Nicht genug. Ich bin ja noch hier, oder?“
Hilflos zog Christopher sein Handy aus der Tasche
und rief Jana an. Er bat sie, sofort herzukommen. Das hier konnte er unmöglich
alleine schaffen.
9
„Also lass uns zuerst Silkes Freunde abklappern“,
schlug Beate vor. Sie warf einen Blick auf die Liste mit Adressen und
Telefonnummern, die sie von Torsten Bolander erhalten hatte. „Ich würde
vorschlagen, wir fangen mit dieser Jana Knopf an. Die muss hier laut Navi ganz
in der Nähe wohnen.“ Nach einer kurzen Denkpause fügte sie dann noch hinzu:
„Und du bist dir absolut sicher, dass man den Mann mit seiner Frau alleine
lassen kann?“
Pfeifer kratzte sich nachdenklich am Hinterkopf. Er
kam sich vor wie in einer billigen Schmierenkomödie. Er dachte an den tobenden
und brüllenden Restaurantbesitzer und seine von hysterischen Weinkrämpfen
geschüttelte Frau. Melanie hatte sich erst gefasst, nachdem der eilig
herbeigerufene Notarzt ihr eine Beruhigungsspritze verpasst hatte. Im Moment lag
sie wohlbehalten zu Hause im Bett und schlief sich erst einmal aus. So hoffte
er zumindest. Bolander hatte dem Kommissar hoch und heilig versprochen, sich
für die nächsten paar Stunden von seiner Frau fernzuhalten und sich ihr nur
dann zu nähern, wenn sie etwas benötigte. Falls nicht, hatte
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