Metanoia - Du sollst Buße tun (Kommissar Pfeifers zweiter Fall)
Länge.
Die Beamten zögerten noch, das Haus zu betreten.
„Halt, halt. Jetzt aber mal langsam, Kleiner. Wie heißt du denn überhaupt? Und
wer ist diese Isis?“ Pfeifer war jetzt vollends verwirrt.
Der Junge lachte ein einnehmendes Lachen. „Ich bin
Torben. Torben Knopf. Janas jüngerer Bruder. Und Isis ist der Spitzname von der
Silke. Äh, war, muss ich ja jetzt wohl sagen, oder? Also diesen Namen hat sie,
weil …“
„Torben Knopf! Was erzählst du denn da für einen
Blödsinn? Geh sofort in dein Zimmer und hör auf, hier Lügenmärchen zu
verbreiten. Los, ab jetzt!“ Eine Frau Mitte vierzig trat unvermittelt durch die
Tür und unterbrach Torben lautstark und wild gestikulierend. An die Kommissare
gewandt fuhr sie dann in etwas ruhigerem Ton fort: „Guten Tag. Ich bin
Sieglinde Knopf. Die Mutter dieses Frechdachses hier. Entschuldigen Sie bitte
meinen Sohn. Er ist, nun ja, drücken wir es vorsichtig aus, etwas neugierig und
vorlaut und verfügt, sehr zu meinem Leidwesen, über eine allzu rege Phantasie.
Sie wollen sicher zu Jana? Da muss ich Sie leider enttäuschen. Die ist gerade
mit dem Fahrrad weggefahren. Sie müssten sie eigentlich noch gesehen haben. Aber
kommen Sie doch trotzdem herein, wir müssen das nicht hier draußen besprechen.
Sie wissen schon, die Nachbarn.“ Frau Knopf ließ ihren Blick vielsagend in die
Runde schweifen. Beate und Pfeifer nickten wissend und traten in den engen Flur.
Sieglinde Knopf führte sie in den hinteren Teil des kleinen Reihenhäuschens in
ein gemütliches Wohnzimmer. Die Terrassentür stand weit offen. Frau Knopf
beeilte sich jetzt, sie zu schließen, und bot den Beamten einen Platz auf dem
merklich in die Jahre gekommenen, aber gemütlich wirkenden, cremefarbenen Sofa
an.
Sie unterhielten sich eine Weile zwanglos, im
Plauderton, über die Gruppe von fünf Jugendlichen, die seit mehreren Jahren
eine verschworene Einheit bildeten. Sieglinde Knopf schien die Art von Frau zu
sein, die sich bei einer Tasse Kaffee in einem ungezwungenen Gespräch am
wohlsten fühlte und Pfeifer wollte, dass sie sich etwas entspannte. Er hoffte,
so den größtmöglichen Nutzen aus ihrem Gespräch ziehen zu können. Und er hatte
Erfolg. Mit seiner ruhigen, gelassenen Art brachte er sie dazu, sich zu öffnen.
Sieglinde Knopf redete wie ein Wasserfall. Sie erzählte den Kommissaren, dass
Silke, Jana, Christopher, Ben und Malte seit ihrer frühen Kindheit ständig
zusammensteckten. „Obwohl Silke erst etwas später von außerhalb hinzukam, haben
die anderen sie sofort in ihre Reihen aufgenommen. Sie passte eben gut dazu.“
„Wie alt war Silke, als sie hierherkam?“
Sieglinde Knopf überlegte kurz. „Vielleicht sechs
oder sieben, denke ich. Noch nicht in der Schule auf jeden Fall.“
„Wissen Sie, woher die Familie Bolander kam?“
„Ja. Aus Hamburg. Der Torsten war ja auch gar nicht
ihr richtiger Vater, wissen Sie? Die Melli und der Torsten hatten damals gerade
erst geheiratet. Silkes Vater ist wohl abgehauen, als sie noch ein Baby war.
Aber der Torsten hat das wirklich großartig gemacht. Er hat Silke aufgenommen,
als wäre sie sein eigenes Kind. Und wie hat sie es ihm gedankt? Durch Trinken,
Drogen und Diebstahl. Und erst die Sache mit der Ratte.“ Betroffen schüttelte
sie den Kopf und schlug sich sofort die Hand vor den Mund. „Oh. Man soll ja
über Tote nichts Schlechtes sagen.“
„Ist schon gut. Wir haben Sie ja danach gefragt.
Während polizeilicher Ermittlungen tritt diese Regel außer Kraft“, versuchte
Pfeifer, Sieglinde Knopf schnell zu beruhigen. Er wollte den Redeschwall der
Frau auf keinen Fall unterbrechen. Vielleicht erfuhren sie ja noch mehr
wichtige Details über Silke.
Beate machte sich währenddessen eifrig Notizen. Mit
der Taktik, Pfeifer fragt und beobachtet, Beate schreibt, waren sie bislang gut
gefahren und sie behielten sie auch in diesem Fall bei.
Sieglinde Knopf berichtete noch eine Weile über die
angeblichen Schandtaten der Jugendlichen, die eigentlich so ungewöhnlich gar
nicht waren, bis sie dann auf einmal ständig wiederholte, wie traurig das mit
Silke sei und wie leid ihr Ben Hausmann, Silkes Freund, tue. Da beschloss
Beate, die Befragung zu beenden, und stand rasch auf. „Vielen Dank, Frau Knopf.
Das war’s dann. Sie haben uns sehr geholfen. Falls wir noch Fragen haben,
melden wir uns. Und falls Ihnen noch etwas Wichtiges einfällt …“, sie zog
umständlich ihre Visitenkarte aus der Jackentasche, „… dann melden Sie
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