Metro2033
ungerührt neben den erstbesten Toten gehockt und begann konzentriert seinen Finger in dessen Haut zu bohren, wobei er aufgeregt etwas Unverständliches lallte.
Der Lichtstrahl glitt nach oben und beleuchtete ein Stück grobes Einpackpapier, das etwa in Augenhöhe über den Leichen an der Wand klebte. Dort standen, von Adlern mit ausgestreckten Flügeln gesäumt, in gotischen Lettern die deutschen Worte: VIERTES REICH. Darunter auf Russisch: »Kein dunkelhaariges Schwein kommt näher als dreihundert Meter an das Große Reich heran!« Und zum Abschluss ein dicker Stempel mit dem bekannten Durchgangsverbot: einer schwarzen Figur im durchgestrichenen Kreis.
»Verbrecher!«, presste Artjom hervor. »Nur weil sie eine andere Haarfarbe haben!«
Der Alte schüttelte niedergeschlagen den Kopf und zog Wanetschka am Kragen, der die Toten interessiert betrachtete und zuerst gar nicht aufstehen wollte. Dann, als sie schließlich weitergingen, bemerkte Michail Porfirjewitsch finster: »Wie ich sehe, ist unsere Druckmaschine noch in Betrieb.«
Sie gingen nun immer langsamer, so dass sie erst nach zwei Minuten den an die Wand gemalten roten Adler mit der Aufschrift »300 m« entdeckten. Beunruhigt vernahm Artjom aus der Ferne das Bellen von Hunden.
Etwa hundert Meter vor der Station schlug ihnen grelles Licht ins Gesicht. Sie blieben stehen. Aus einem Megaphon donnerte eine Stimme: »Hände hinter den Kopf! Keine Bewegung!«
Gehorsam legte Artjom beide Hände ins Genick. Michail Porfirjewitsch streckte die Arme in die Höhe. Sogleich bellte die Stimme wieder: »Ich sagte, Hände hinter den Kopf! Langsam herkommen! Keine schnellen Bewegungen!«
Artjom konnte nicht erkennen, wer da sprach, denn das Licht schien ihm direkt in die Augen, so dass er vor Schmerz nach unten blickte.
Mit kleinen Schritten gingen sie noch ein Stück weiter, dann blieben sie reglos stehen - bis der Scheinwerfer schließlich zur Seite wanderte.
Eine Barrikade war hier errichtet worden, die von zwei breitschultrigen MG-Schützen und einem Mann mit Gürtelhalfter gehalten wurde. Alle trugen sie Tarnuniform und schwarze Barette schräg auf den rasierten Köpfen. An den Ärmeln prangten weiße Binden mit einem Symbol, das so ähnlich aussah wie die deutschen Hakenkreuze, nur nicht mit vier Haken, sondern mit dreien. Etwas weiter hinten konnte man noch einige andere dunkle Gestalten erkennen, zu deren Füßen ein nervös winselnder Hund saß. Die Wände ringsum waren über und über mit Kreuzen, Adlern, Sprüchen und Flüchen gegen alle Nichtrussen beschmiert, und an deutlich sichtbarer Stelle, unter einem leicht angebrannten Stück Stoff mit der Darstellung eines Adlers mit dreibeinigem Hakenkreuz prangte dasselbe angeleuchtete Zeichen mit dem unglücklichen schwarzen Mann in einem Plastikrahmen. Vermutlich war dies eine Art Ikonenecke.
Einer der Wachleute machte einen Schritt nach vorn und schaltete eine ungewöhnlich lange, einem Schlagstock ähnliche Taschenlampe ein, die er mit gekrümmten Fingern in Höhe seines Kopfes hielt. Ohne Hast ging er um die drei Ankömmlinge herum, musterte argwöhnisch ihre Gesichter, offenbar auf der Suche nach nichtslawischen Zügen. Doch alle drei hatten ein einigermaßen russisches Äußeres - ausgenommen Wanetschka vielleicht, dessen Gesicht von seiner Krankheit geprägt war -, so dass der Kontrolleur die Lampe herunternahm und enttäuscht mit den Achseln zuckte. »Papiere!«, forderte er.
Artj om hielt ihm bereitwillig seinen Pass hin, während Michail Porfirjewitsch erst nach kurzem Zögern begann, in seiner Innentasche herumzukramen, und endlich auch seinen Ausweis hervorzog.
Der Kontrolleur deutete angewidert auf Wanetschka. »Und die Papiere für den da?« »Verstehen Sie, es ist so, dass der Junge ...«, begann Michail Porfirjewitsch zu erklären.
»R-R-ruhe!«, blaffte der Kontrolleur, und die Lampe hüpfte in seiner Hand. »Nennen Sie mich gefälligst >Herr Offizier »Herr Offizier, sehen Sie, der Junge ist krank, er hat keinen Pass, er ist ja noch so jung. Aber sehen Sie, er ist hier bei mir eingetragen ...« Schmeichelnd blickte Michail Porfirjewitsch dem Kontrolleur in die Augen, versuchte dort wenigstens einen Funken Mitgefühl zu entdecken. Doch dieser stand stocksteif wie ein Felsbrocken da, das Gesicht ebenso versteinert - und erneut wuchs in Artjom das Verlangen, jemanden umzubringen.
»Wo ist das Foto?«, stieß der Offizier hervor, als er sich zu der
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