Metro2033
vertraute Stimme.
Artjom drehte sich um und sah Kirill, der sich damals, ganz am Anfang, ebenfalls für die Karawane gemeldet hatte. Er trug einen Arm in einer Schlinge, und seine Haare schienen noch struppiger zu sein als sonst.
»Jetzt bin ich jedenfalls wieder da«, erwiderte Artjom unbestimmt. »Wie haltet ihr euch hier? Wo ist Onkel Sascha, wo ist Schenja?«
»Schenja ...« Kirills Gesicht verdüsterte sich. »Er hat was abgekriegt ... Sie haben ihn umgebracht, schon vor einer Woche.«
Artjom stockte das Herz. »Und mein Stiefvater?«
»Suchoj ist gesund und munter und erteilt seine Befehle. Er ist jetzt im Lazarett.« Kirill deutete zur Treppe, die zum neuen Ausgang der Station führte.
»Danke!« Artjom rannte los.
»Und wo hast du gesteckt?«, rief ihm Kirill noch hinterher, doch er erhielt keine Antwort.
Das »Lazarett« machte einen unheilvollen Eindruck. Nur wenige Männer - vielleicht fünf -waren wirklich verletzt. Die meisten waren Patienten anderer Art. Eingewickelt wie Säuglinge lagen sie in Schlafsäcken in einer Reihe. Ihre Augen waren weit aufgerissen, und mit ihren leicht geöffneten Mündern lallten sie irgendetwas Zusammenhangloses dahin. Gepflegt wurden sie nicht von einer Krankenschwester, sondern von einem Gewehrschützen, der eine Flasche mit Chloroform in der Hand hielt. Wenn einer der Gewickelten auf dem Boden zu zucken und zu heulen begann und seine Erregung die anderen anzustecken drohte, drückte ihm der Wächter schnell ein mit dem Betäubungsmittel getränktes Stück Gaze ins Gesicht. Der Mann schlief dann zwar nicht ein - seine Augen blieben weiterhin offen -, aber wenigstens hielt er für eine gewisse Zeit still.
Artjom konnte Suchoj nicht gleich finden. Er hatte in einem abgetrennten Dienstraum etwas mit dem Stationsarzt besprochen, doch dann, als er heraustrat, lief er quasi in Artjom hinein. »Artjomka! Du lebst ... Gott sei Dank ...«, murmelte er und berührte Artjom an der Schulter, als wolle er sich überzeugen, dass dieser wirklich vor ihm stand.
Artjom umarmte ihn fest. Wie ein kleiner Junge hatte er sich gefürchtet, dass ihn sein Stiefvater ausschimpfen würde: Wo er denn gesteckt habe, welche Verantwortungslosigkeit, warum er sich noch immer nicht benehmen könne wie ein Erwachsener ... Stattdessen drückte ihn Suchoj einfach nur an sich und hielt ihn lange. Als sie sich schließlich wieder losließen, bemerkte Artjom verlegen, dass die Augen seines Stiefvaters glänzten.
Ohne sich lange bei all seinen Abenteuern aufzuhalten, berichtete er diesem kurz, wo er gewesen war und was er erreicht hatte. Dann erklärte er, warum er zurückgekommen war.
Suchoj schüttelte den Kopf und begann über Hunter herzuziehen, doch dann hielt er inne und sagte, über die Toten dürfe man nur Gutes oder aber gar nichts sagen. Was jedoch genau mit dem Jäger passiert war, wusste auch er nicht. »Siehst du, was bei uns los ist?« Suchojs Stimme wurde wieder hart. »Jede Nacht kommen sie jetzt in Scharen, unsere Patronen reichen da gar nicht aus. Neulich ist wieder eine Draisine mit Munition vom Prospekt Mira gekommen, aber das war nur ein Tropfen auf den heißen Stein.«
»Sie wollen den Tunnel beim Prospekt sprengen, um die WDNCh und die anderen Stationen abzuriegeln.«
»Ich weiß ... Sie haben Angst vor dem Grundwasser, deswegen trauen sie sich nicht näher an die WDNCh heran. Aber das wird nicht lange helfen - die Schwarzen werden andere Eingänge finden.«
»Wann gehst du von hier weg? Es ist nicht mehr viel Zeit. Nicht mal vierundzwanzig Stunden, und du musst noch deine Sachen packen ...«
Suchoj sah Artjom lange mit prüfendem Blick an. »Nein, Artjom, es gibt für mich nur noch einen Weg von hier - und der führt nicht zum Prospekt Mira. Wir haben dreißig Verletzte, sollen wir die etwa allein lassen? Und dann: Wer wird hier die Stellung halten, während ich meine Haut rette? Wie soll ich das bitte jemandem erklären, nach dem Motto, du bleibst jetzt da, um sie aufzuhalten und zu sterben, und ich geh dann mal? Nein ...« Er seufzte. »Von mir aus können sie sprengen. Wir werden uns hier halten, solange wir eben können. Ich jedenfalls will als anständiger Mensch sterben.«
»Dann bleibe ich bei euch. Sie werden mit den Raketen auch ohne mich zurechtkommen. So kann ich euch wenigstens helfen.«
»Nein, nein, du musst unbedingt gehen! Unser Tor ist voll funktionsfähig, und auch die Treppe ist noch ganz, da kommst du schnell zum Ausgang. Du musst mit ihnen gehen -
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