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Metro2033

Titel: Metro2033 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Recht dazu gegeben? Er bedauerte, dass Ulman jetzt nicht an seiner Seite war: Mit einer spöttischen Bemerkung hätte er alle Zweifel zerstreut. Der Unterschied zwischen ihnen beiden bestand darin, dass Artjom aufgrund der Erfahrungen seiner Reise die Welt wie durch ein Kaleidoskop betrachtete, während Ulmans hartes Leben ihn gelehrt hatte, die Dinge ganz einfach zu sehen - nämlich durch die Zielvorrichtung eines Präzisionsgewehrs. Wer von ihnen im Recht war, wusste Artjom nicht, aber er konnte nicht mehr daran glauben, dass es auf jede Frage nur eine einzige, die wahre Antwort gab.
    Überhaupt war alles im Leben und vor allem in der Metro unklar, veränderte sich, war relativ. Als Erster hatte ihm das Khan am Beispiel der Stationsuhren erklärt. Doch wenn schon die Zeit, eine der Grundlagen für die Wahrnehmung dieser Welt, nur fiktiv und von anderen Faktoren abhängig war, was sollte man dann erst von den anderen scheinbar unverrückbaren Vorstellungen vom Leben sagen?
    Für alles - von den Stimmen in den Rohren dieses Tunnels über das Leuchten der Kremlsterne bis hin zu den ewigen Geheimnissen der menschlichen Seele - gab es stets mehrere Erklärungen. Und besonders viele Antworten gab es auf die Frage: Wozu? Alle Menschen, die Artjom begegnet waren - seien es die Kannibalen am Park Pobedy oder die Kämpfer der Che-Guevara-Brigade - hatten ihre eigenen Antworten darauf, Sektanten wie Satanisten, Faschisten genauso wie bewaffnete Philosophen vom Schlage eines Khan. Und gerade das machte es für Artjom so schwierig, die einzige für ihn selbst richtige Antwort herauszufinden. Weil ihm jeden Tag eine neue Variante vorgelegt wurde, konnte Artjom nicht mehr daran glauben, dass gerade die eine die richtige war - denn schon morgen konnte er auf eine neue stoßen, die nicht weniger exakt und umfassend war.
    Wem sollte er glauben? Woran? An den Großen Wurm, einen menschenfressenden Gott, der einen Elektrozug zum Vorbild hatte und angeblich der Schöpfer des Lebens auf dieser verbrannten, unfruchtbaren Erde war? An einen zornigen, eifersüchtigen Jehova? An seinen hoffärtigen Gegenspieler Satan? An den Sieg des Kommunismus in der gesamten Metro? An die Überlegenheit der hakennasigen Blonden vor den dunklen, kraushaarigen Typen? Etwas flüsterte Artjom zu, dass es zwischen all dem keinen Unterschied gab - jeglicher Glaube diente dem Menschen nur als eine Art Wanderstab, auf den er sich stützen konnte, der ihm half, seinen Weg zu finden, und mit dem er sich wieder aufrichtete, wenn er doch einmal hingefallen war. Als kleiner Junge hatte sich Artjom über eine Geschichte seines Stiefvaters amüsiert, in der ein Affe einen Stock in die Hand nahm und zum Menschen wurde. Seither, so dachte er jetzt, hatte der schlaue Makak diesen Stock nicht wieder losgelassen - und ging doch noch immer nicht ganz aufrecht.
    Er begriff, wozu der Mensch diese Stütze brauchte. Ohne sie war das Leben leer wie ein verlassener Tunnel. Artjom hörte noch immer das verzweifelte Schreien des Wilden, als dieser erfahren hatte, dass der Große Wurm nur eine Erfindung seiner Priester war. Etwas Ähnliches hatte er selbst empfunden, als man ihm gesagt hatte, dass die Unsichtbaren Beobachter nicht existierten. Allerdings war es ihm verhältnismäßig leichtgefallen, sich von den Beobachtern, dem Wurm und all den anderen Göttern wieder zu verabschieden.
    Was bedeutete das alles? War er anders, stärker als die übrigen? Artjom wurde bewusst, dass er sich selbst belog. Auch er hatte einen Stock in der Hand, und es kostete ihn all seinen Mut, sich dies einzugestehen.
    Seine Stütze war das Bewusstsein, dass er eine Aufgabe von ungeheuerer Wichtigkeit erfüllte, dass das Überleben der gesamten Metro auf dem Spiel stand und dass diese Mission ihm nicht zufällig auferlegt worden war. Ob bewusst oder nicht - Artjom hatte immer nach Beweisen dafür gesucht, dass er auserwählt war zur Erfüllung dieser Aufgabe, jedoch nicht von Hunter, sondern von einer höheren Macht. Die Schwarzen zu vernichten, seine Station und seine Freunde von ihnen zu befreien, sie davon abzuhalten, die ganze Metro zu zerstören - dies konnte sehr gut als zentrale Lebensaufgabe herhalten. Und alles, was Artjom auf seinen Wanderungen widerfahren war, deutete nur auf eines hin: Er war nicht so wie alle; ihm war ein besonderes Schicksal bestimmt; er war es, der dieses Gesocks auslöschen, es vernichten musste, sonst würde es sich noch den Rest der Menschheit vorknöpfen. Solange er

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