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Meuterei auf der Elsinore

Meuterei auf der Elsinore

Titel: Meuterei auf der Elsinore Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack London
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wahres Labsal für das Auge; und ebenso das des Knirpses, der jetzt mit einem heiteren Lachen aus dem Vorderkastell kam. Und dennoch stimmte auch bei ihm nicht alles. Er war ein Zwerg, und ich erfuhr allmählich, daß seine strahlende Laune in Verbindung mit seinem allzu geringen Verstand ihn zu einem wahren Clown machte.
    Pike blieb einen Augenblick neben mir stehen. Während er die Männer musterte, beobachtete ich ihn. Er hatte den Ausdruck eines Viehhändlers, es war klar, daß er mit der Qualität des gelieferten Viehs höchst unzufrieden war.
    »Irgendwas hat jeder von den Kerlen«, knurrte er. Immer neue kamen zum Vorderkastell heraus: Da war ein blasser Bursche mit lauerndem Blick, dem ich es gleich ansehen konnte, daß er dem Opium verfallen war. Nun kam ein anderer, ein winziger, welker Greis mit einem runzligen, vertrockneten Gesicht und stechenden, boshaften blauen Augen. Ein dritter tauchte auf – ein kleiner Mann in guter Form, der meinen unerfahrenen Augen als das normalste und gescheiteste Exemplar der ganzen Gesellschaft erschien. Aber die Augen des Steuermanns waren besser geschult als die meinen.
    »Was ist denn mit dir los?« knurrte er den Mann mürrisch an.
    »Gar nichts, Steuermann…«, antwortete der Bursche, der sofort stehengeblieben war.
    »Wie heißt du?« Wenn Pike zu den Matrosen sprach, geschah es immer mit einem Fauchen.
    »Charles Davis, Steuermann.«
    »Warum humpelst du?«
    »Ich humple nicht, Steuermann«, antwortete der andere respektvoll.
    Als der Steuermann ihm durch ein Nicken mit dem Kopfe angedeutet hatte, daß er verschwinden dürfte, marschierte er flott über das Deck mit einem Schwung der Schultern, wie man ihn sonst nur bei Zuhältern sieht.
    »Ein richtiger Seemann«, brummte der Steuermann; »aber ich wette ein Pfund vom besten Tabak oder ein Monatsgehalt, daß etwas mit ihm nicht stimmt.«
    Die Back schien sich jetzt geleert zu haben, aber der Steuermann wandte sich zu den Bootsmännern und fauchte sie an: »Was macht ihr denn, verflucht noch mal? Schlaft ihr? Bildet ihr euch vielleicht ein, daß dies ein Sanatorium ist? Marsch, hinein mit euch, und jagt sie heraus!«
    Sundry Buyers drückte beständig die Hände gegen den Unterleib und blieb zögernd stehen, während Nancy, dessen Gesicht störrische und leidende Hoffnungslosigkeit ausdrückte, sich widerwillig ins Vorderkastell begab. Dann hörte man drinnen gemeine, widerwärtige Flüche und von Nancy eindringliche und eifrige, in bittendem und demütigem Ton vorgebrachte Versicherungen.
    Ich bemerkte die erboste Miene des Steuermanns und war darauf vorbereitet, Gott weiß was für Ungeheuer aus der Back auftauchen zu sehen. Zu meiner Überraschung erschienen drei Burschen, die erstaunlich besser wirkten als das Gesindel, das ich bisher gesehen hatte. Ich dachte, daß das Gesicht des Steuermanns sich nunmehr erhellen und eine gewisse Befriedigung zeigen würde. Aber nein – seine blauen Augen zogen sich zu schmalen Schlitzen zusammen, das fauchende Knurren schien zu einem Zähnefletschen zu werden, so daß er aussah wie ein Hund, der beißen will.
    Die Burschen waren alle drei klein. Und jung, zwischen fünfundzwanzig und dreißig. Trotz ihrem derben Zeug wirkten sie gut gekleidet. Die Gesichter waren scharfgeschnitten und klug.
    Sie gehörten nicht zu dem unterernährten, alkoholvergifteten Typ jener Seeleute, die ihre letzte Heuer versaufen und dann hungern, bis sie einen Vorschuß auf die neue Fahrt erhalten und wieder versauf en können. Die drei waren durchtrainiert und kräftig. Ihre Bewegungen waren von Natur lebhaft und sicher. Ich war überzeugt, daß sie gar keine Seeleute waren. Sie vertraten einen Typ, dem ich noch nie begegnet war. Vielleicht kann ich ein besseres Bild von ihnen geben, indem ich einfach schildere, was jetzt geschah.
    Als sie an uns vorbeigingen, beehrten sie Pike mit demselben gleichgültigen, kühlen Blick wie mich.
    »Wie heißt du… du da?« kläffte der Steuermann den ersten an. Er war augenscheinlich ein jüdisch-irischer Mischling. Seine Nase war unverkennbar jüdisch. Ebenso unverkennbar war aber das irische Element in seinen Augen, seinem Kinn und seiner Oberlippe. Die drei waren unwillkürlich stehengeblieben, und obgleich sie sich nicht etwa ansahen, hatte man doch den Eindruck, daß sie eine stumme Besprechung miteinander abhielten. Ein anderer des Trios, in dessen Adern, Gott weiß es allein, was für Blut floß, gab ein Warnungszeichen. Oh, beileibe nichts so Derbes

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