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Meuterei auf der Elsinore

Meuterei auf der Elsinore

Titel: Meuterei auf der Elsinore Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack London
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achteraus über die schlanke Laufbrücke. Die Kampanje, die in Wirklichkeit das Dach der gesamten Hütten bildete und den ganzen Achterteil des Schiffes einnahm, war sehr groß. Hier befanden sich das halbrunde und zur Hälfte überdeckte Ruderhaus und das Navigationshaus, dessen Türen auf jeder Seite in einen schmalen Gang führten. Ich guckte neugierig hinein und wurde von Kapitän West mit einem freundlichen Lächeln begrüßt. Er saß bequem zurückgelehnt auf einem Schlingerstuhl und hatte die Füße auf das Pult vor sich gelegt. In einem großen Sessel saß der Lotse. Beide rauchten gemütlich ihre Zigarren.
    Als ich die Treppe zur Kajüte hinunterstieg, hörte ich Fräulein West leise singend in ihrer Kammer umhergehen. Ich ging an der Pantry vorbei und benutzte die Gelegenheit, den Steward zu begrüßen. Hier in seinem kleinen Reich herrschte wirklich Tüchtigkeit. Jeder einzelne Gegenstand war sauber und auf seinem Platz, man hätte vergeblich einen Diener gesucht, der lautloser sein könnte als er. Als er mir sein Gesicht zuwandte, war es ebenso ausdruckslos – oder ausdrucksvoll – wie das einer Sphinx. Aber seine schiefen, schwarzen Augen leuchteten vor Intelligenz.
    »Was meinen Sie zu der Mannschaft?« fragte ich beiläufig.
    »Narrenhaus«, antwortete er ohne Zögern und schüttelte unzufrieden den Kopf. »Zu viel Narrenhaus. Nicht gut. Gar nicht gut. Nur für die Hölle.«
    Das war alles, was er darüber zu sagen hatte, aber es bestätigte meine eigene Beobachtung.
    Meine Kabine war entzückend. Wada hatte schon alles ausgepackt, meine sämtlichen Kleidungsstücke weggelegt und unzählige Regale mit den Büchern gefüllt, die ich mit an Bord gebracht hatte. Alles war schon an seinem Platz, von meinem Rasierzeug, das im Schubfach neben der Waschschüssel lag, meinen Seestiefeln und meinem Ölzeug, das nun zum sofortigen Anziehen bereit hing, bis zu meinem Schreibzeug auf dem Tisch. Vor diesem stand ein mit Leder bezogener Schlingersessel, der an den Fußboden festgeschraubt war. Meine Pyjamas waren bereitgelegt, mein Hausanzug ebenfalls, wie die Morgenschuhe, die auf ihrem gewohnten Platz neben dem Bett standen.
    Ich war tief verstimmt über alles, was ich an Deck erlebt hatte. Und als ich mich jetzt in meinem Sessel zurücklehnte und ein Buch aufschlug, kam es wie eine Vorahnung über mich, daß diese Reise verhängnisvoll werden sollte. Als ich mich dann aber im Raum umsah und feststellen mußte, daß ich auf keinem Personendampfer je so gut untergebracht gewesen war wie hier, da ließ ich alle dunklen Ahnungen wieder fahren und malte mir aus, wie ich Wochen und Monate all die wunderbaren Bücher lesen sollte, die ich so lange vernachlässigt hatte.
    Bei Gelegenheit fragte ich Wada, ob er die Mannschaft gesehen habe. Nein, aber der Steward hätte gesagt, daß es die schlechteste Mannschaft sei, die er je auf See getroffen habe.
    »Er sagen, alle verrückt«, erklärte Wada. »Er sagen, später großen Radau. Sie sehen, er sagen die ganze Zeit. Sie werden sehen, Sie werden sehen. Er guter alter Mann. Fünfundfünfzig Jahr, er sagen. Sehr kluger Chinamann. Eben jetzt, erstes Mal in viele Jahr, er gehen wieder zu See. Vorher sind er großer Geschäftsmann in San Francisco. Dann aber großer Krach. Sie sagen, er Opiumschmuggler. Er aber kommen nicht in Gefängnis, denn er nehmen guter Anwalt, aber langer Zeit Anwalt arbeiten, und als Krach vorbei, Anwalt nehmen all sein Geld. Sein ganz Geschäft. Alles. Sehr tüchtiger Anwalt! Dann er gehen zu See. Er verdienen großen Geld. Fünfundsechzig Dollar in ein Monat. Er aber nicht froh hier. Mannschaft alles verrückt. Wenn dieser Mal Reise Schluß, er gehen von Schiff und können machen großen Geschäft in San Francisco.«
    Als Wada nachher ein Bullauge geöffnet hatte, um frische Luft hereinzulassen, hörte ich das Gurgeln und Schwappen des Wassers längsseits des Schiffes. Da wußte ich, daß wir den Anker gelichtet, daß die Britannia uns ins Schlepp genommen hatte und zur Chesapeake-Bucht hinausbugsierte. Unwillkürlich meldete sich bei mir der Gedanke, daß es noch nicht zu spät sei. Ich konnte noch sehr gut das Abenteuer aufgeben und mit der Britannia nach Baltimore zurückkehren. Aber da hörte ich ein leises Klappern von Porzellan aus der Pantry, wo der Steward sich anschickte, den Tisch zu decken, und außerdem war es so warm und gemütlich hier – und das Buch war spannend.

    Das Mittagessen übertraf in jeder Beziehung meine Erwartungen, ich

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