Meuterei auf der Elsinore
wie einen Wink oder ein Nicken, nur etwas wie der Schatten eines Ausdrucks war über sein Gesicht geflogen oder ein Leuchten plötzlich in seinem Antlitz aufgeflackert.
»Murphy – «, antwortete der andere dem Steuermann.
»Steuermann«, fauchte Pike ihn an.
Murphy zuckte die Achseln zum Zeichen, daß er nicht begriff, was der Steuermann meinte. Es war das sichere Auftreten dieser Leute, ihre kaltblütige, selbstsichere Haltung, die Eindruck auf mich machte.
»Wenn du einen Offizier hier auf dem Schiff anredest, hast du den Rang zu sagen«, erklärte Pike mit rauher Stimme. »Verstanden?«
»Jawohl… Steuermann.« Murphy zog die Worte mit wohlberechneter Langsamkeit in die Länge. »Hab’s verstanden.«
»Steuermann«, brüllte Pike.
»Steuermann«, antwortete Murphy so sanft und gleichgültig, daß es den Steuermann zu weiterem Pokern reizte.
»Gut… aber Murphy paßt mir nicht«, sagte er, »Nase… das muß dir hier an Bord genügen. Verstanden?«
»Hab’ verstanden, Steuermann«, lautete die durch ihre sanfte Gleichgültigkeit unverschämte Antwort. »Nasen-Murphy also – Steuermann.« – Und dann lachte er. Alle drei lachten. Wenn man ein Lachen ohne Laut und ohne Bewegung des Gesichts Lachen nennen kann. Nur die Augen lachten. Ein Lachen ohne Heiterkeit, ein kühles, kaltblütiges Lachen.
Sicher ist, daß Pike keinen besonderen Gefallen an diesen seltsamen Persönlichkeiten fand. Er wandte sich an den Anführer, der das Warnungszeichen gegeben hatte. »Und wie heißt du?«
»Bert Rhine, Steuermann«, lautete die Antwort in einem Ton, der ebenso sanft, gleichgültig und seidenweich war wie der des anderen.
»Und du?« Diese Frage galt dem letzten, dem Jüngsten – einem schwarzäugigen Burschen mit olivfarbener Haut und einem Gesicht, dessen kameenhafte Schönheit verblüffte.
»Twist, Steuermann«, antwortete er in genau derselben Weise wie die beiden andern.
»Viel zu unbequem«, knurrte der Steuermann. »Bub genügt für dich… verstanden?«
»Hab’ verstanden – Steuermann. Bub Twist genügt für mich – Steuermann.«
»Bub allein genügt!«
»Bub – Steuermann.«
Und die drei lachten ihr lautloses, freudloses Lachen. Der Steuermann war jetzt außer sich vor Wut, die um so schlimmer war, als ihm kein Vorwand zu einem Ausbruch gegeben wurde.
»Nun will ich euch mal was erzählen, euch dreien, und ihr tut gut daran, zuzuhören!« Seine Stimme knirschte förmlich vor unterdrückter Wut. »Ich kenne Leute eures Schlages. Dreck seid ihr! Verstanden? Ihr seid Dreck! Aber eure Arbeit werdet ihr tun wie Männer! Sobald auch nur einer von euch mit einem Auge blinzelt oder nur so tut, als ob er blinzeln wollte, werd’ ich ihm was… Verstanden? Und jetzt macht, daß ihr wegkommt. Voraus ans Spill!«
Pike drehte sich um, und ich blieb neben ihm, als er achteraus ging.
»Wie gefallen Ihnen die drei?« fragte ich neugierig.
»Das ist die Höhe«, murrte er. »Die Sorte kenne ich. Die haben schon hinter schwedischen Gardinen gesessen, die drei Burschen. Das ist der schlimmste Höllendreck…«
Hier wurde er durch ein Schauspiel unterbrochen, das sich ihm vom Großluk aus bot. Auf dem Luk lagen fünf oder sechs Männer und machten sich’s bequem, unter ihnen auch Larry, die Vogelscheuche, die den Steuermann einen »alten Schuft« genannt hatte.
Offenbar hatte Larry dem Befehl nicht gehorcht, denn er lehnte sich jetzt an seine Schiffskiste, die längst im Vorderkastell hätte sein müssen. Außerdem hätten sie alle schon am Bratspill arbeiten sollen. Der Steuermann sprang auf das Luk und stellte sich dort, turmhoch, neben den Mann.
»Steh auf!« befahl er.
»Ich kann nicht«, sagte er.
»Steuermann!«
»Ich kann nicht, Steuermann. Ich war heute nacht besoffen und hab’ bei Jefferson gepennt. Und heut morgen war ich ganz steifgefroren. Sie mußten mich mit ‘m Hammer losschlagen.«
»Steifgefroren warst du? Alter Schuft!« grinste der Steuermann.
»Wird wohl so sein, Steuermann«, antwortete Larry. Er blinzelte mit seinen trüben, streitsüchtigen Affenaugen. Eine Ahnung begann sich in ihm zu regen, daß der, welcher neben ihm stand, ein Mann war, der Männer kommandieren konnte. »Gut, ich will dir mal zeigen, was geschieht, wenn man ein alter Schuft ist.« Höhnisch ahmte der Steuermann den irischen Akzent des andern nach.
Und jetzt werde ich berichten, was ich mit eigenen Augen sah… und bitte, vergeßt nicht, was ich von den riesigen Flossen des Steuermanns erzählt
Weitere Kostenlose Bücher