Mich kriegt ihr nicht!: Gebrauchsanweisung zur digitalen Selbstverteidigung (German Edition)
Thermometer. PlaceMe lauscht unentwegt und lernt in wenigen Tagen, wo Sie leben und arbeiten, wo Sie regelmäßig etwas trinken gehen und so weiter. Der Nutzen liegt laut seiner Entwickler in einer ganz privaten Entdeckungsreise, die man nur mit wenigen Freunden teilen sollte und die wertvolle Hinweise wie diesen geben kann: »Sonst tanken Sie immer hier. Wenn Sie einen halben Kilometer weiter fahren, ist das Benzin heute 2 Cent billiger.«
Google versucht, PlaceMe zu übertrumpfen. Seit Sommer 2012 lässt sich im Android-Betriebssystem ein Dienst namens Google Now aktivieren. Er greift auf eine Fülle privater Daten und Bewegungsmuster zu und verknüpft sie mit aktuellen Ergebnissen aus dem Netz. So weiß das Handy oder Tablet nach ein paar Tagen, wo Sie tagsüber die meiste Zeit verbringen, und schließt daraus, dass Sie dort arbeiten. Wo das Gerät nachts und am Wochenende liegt, muss ihr Zuhause sein. Google Now weiß so bald mehr über Sie oder Ihre Familie als Sie selbst! Es kann Sie daran erinnern, dass Sie zu spät zu einem Treffen kommen werden, weil die Straßen verstopft sind. Es kann Ihnen einen guten Imbiss auf dem Weg nach Hause empfehlen, da Google Ihre Lieblingsspeise kennt. Es kann Ihnen sogar sagen, wann Sie heute nach Hause kommen werden.
Wem gehört mein Adressbuch?
Ob wir wollen oder nicht: Mit unseren Smartphones werden wir ständig verfolgt, und der Trend wird sich noch verstärken. Einerseits müssen sich Mobiltelefone ständig bei umliegenden Funkmasten anmelden, um die Verbindung zu halten. Andererseits wollen immer mehr Apps Zugang zu unserer Gerätenummer, möglichst zum Klarnamen und anderen Informationen, die wir aktiv speichern oder passiv generieren.
Das Thema sorgte Anfang 2012 für Schlagzeilen, als bekannt wurde, dass Path – ein beliebtes Programm, das dazu dient, Fotos und Aufenthaltsorte mit einem kleinen Kreis von Freunden zu teilen – die kompletten Adressbücher seiner Nutzer auf seine Server hochgeladen hatte. 3 Path-Anwender hatten keine Ahnung, was los war, da die App sie noch nicht einmal benachrichtigte, ob sie den Zugriff gewähren oder verweigern wollten. Path erwies sich nur als die Spitze des Eisbergs, denn eine ähnliche Sicherheitslücke klaffte in Geräten mit dem Android-Betriebssystem. Die Werkseinstellung von Google ermöglichte es neu installierten Apps, Fotoalben abzuernten. Nutzer der Karriereseite LinkedIn riskierten sogar, dass ihre persönlichen Kalendernotizen, die sie zu Besprechungen eingetragen hatten, auf den Servern des Anbieters landeten.
Die an den Pranger gestellten Unternehmen gelobten Besserung, um heimliche oder illegale Datenraubzüge in Zukunft zu unterlassen. Apple etwa gibt App-Entwicklern inzwischen keinen Zugriff mehr auf die individuelle ID-Nummer eines Handys und listet in den Geräteeinstellungen auf, welche Programme welche privaten Daten einsehen. Aber die Technologie gleicht einem ständigen Wettrüsten, bei dem Softwareentwickler und Werbetreibende stets neue Methoden entwickeln, um jeden mobilen Nutzer auch weiterhin und möglicherweise noch lückenloser zu verfolgen. Laut der Sicherheitsfirma Bitdefender, die im Sommer 2012 eine Kontrollsoftware namens Clueful vorstellte, ist das Problem größer denn je. Von den 65 000 beliebtesten Apps, die Bitdefender unter die Lupe nahm, konnten 41 Prozent die Standorte der Benutzer verfolgen, 18,6 Prozent hatten Zugriff auf alle Kontaktdaten im Adressbuch, und 33 Prozent speicherten Nutzerinformationen ohne Verschlüsselung. 4
Verbraucher in den USA gingen als Reaktion auf das Datendebakel vor Gericht und forderten per Sammelklage Schadenersatz. Eine Klage wurde in Austin, Texas, mit der Begründung eingereicht, dass 20 App-Hersteller – einschließlich Facebook, Foursquare, Instagram, Yelp und Twitter – Adressbücher von Millionen Nutzern ohne deren Wissen oder Zustimmung gestohlen haben sollen. In anderen Fällen sind Unternehmen wie Facebook, Flickr und YouTube beschuldigt worden, auf Textnachrichten der Benutzer zugegriffen zu haben. 5 Das wird von den Unternehmen jedoch kategorisch dementiert. Einzig Facebook gab zu, es nur während eines Tests des eigenen Nachrichtendienstes getan zu haben. 6
Die entscheidende Frage lautet: Wem können Sie überhaupt noch vertrauen? Der Telefongesellschaft oder dem Handy-Hersteller, die in den meisten Fällen auch Ihre Daten sammeln und über Monate hinweg speichern, sie analysieren und verkaufen – angeblich als anonymisierte Datenmasse?
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