Mich kriegt ihr nicht!: Gebrauchsanweisung zur digitalen Selbstverteidigung (German Edition)
gesunden Menschenverstandes auf den Kopf, weil sie den Geschäftsmodellen der Datenhäscher zuwiderlaufen. Wenn jeder per Firmendekret zum »Freund« degradiert und geduzt wird, wenn alle »teilen« müssen, wird das Konzept des Vertrauens zerstört, und wir alle werden schnell zu leichtsinnig. So zerstören soziale Medien gesellschaftliche Konventionen, die über Jahrtausende Gestalt angenommen haben. Das ist der Grund, warum wir sagen: Tun Sie so, als ob – fake it ! Zieren Sie sich, wenn es um Dating-Seiten geht. Es ist völlig in Ordnung und ganz natürlich, sich zugeknöpft zu geben, wenn Sie neue Leute treffen. Das heißt konkret: Seien Sie mit mehreren Identitäten online unterwegs. Seien Sie so sparsam mit persönlichen Angaben wie möglich. Wenn Bilder sein müssen, versuchen Sie, konsequent Porträts von sich selbst zu verwenden, mit denen eine Gesichtserkennungssoftware nichts anfangen kann: schlechte Lichtverhältnisse, seltsame Blickwinkel, Grimassen, Masken und Kopfschmuck wirken Wunder, um Menschen anzuziehen und Algorithmen abzuschütteln. Oder probieren Sie es mit einer Zeichnung, einem Avatar als Ausdruck Ihrer Persönlichkeit.
Und noch etwas: Wir hätten dieses Kapitel nicht »Von der Piste in die Kiste« überschrieben, wenn wir nicht davon überzeugt wären, dass es immer noch am meisten Spaß macht, andere Menschen in der analogen Welt zu begehren und lieben zu lernen. Die britische Autorin Zadie Smith bringt das Problem in ihrem Essay Generation Why auf den Punkt: Sie nimmt darin den Facebook-Film The Social Network zum Anlass für die Frage, warum so viele junge Menschen süchtig nach einem Dienst sind, der sie unterm Strich entmenschlicht: »Ein Mensch, der auf einer Webseite wie Facebook zu einem Datensatz wird, verliert an Gehalt. Alles schrumpft. Der individuelle Charakter. Freundschaften. Sprache. Die Vernunft.« 10 Zur Liste der Schrumpfungen möchten wir die Geschlechtsteile hinzufügen.
Vom individuellen Charakter bis hin zu Freundschaften: All dies ist auch wichtig für die Erziehung Ihrer Kinder, damit sie einen gesunden Menschenverstand und Medienkompetenz entwickeln und digitale Selbstverteidigung praktizieren können. Sie wachsen in einer Welt auf, in der ihre Privatsphäre und Identität von Geburt an unter Beschuss sind, wie wir im folgenden Kapitel darstellen.
Tipps und Tricks (siehe Kapitel 13)
Verwenden Sie Google-Datenschutz-Werkzeuge und vermeiden Sie es, zu häufig Google zu nutzen (I-2)
Verwenden Sie Pseudonyme für Ihr privates Ich (I-5)
Grundlegende Sicherheit bei Facebook (I-6)
Verwenden und merken Sie sich sichere Passwörter (I-9)
Verwenden Sie Blocking-Werkzeuge in Ihrem Browser (II-11)
Verwenden Sie privates Surfen (II-12)
Verwenden Sie Firefox zum Porno-Surfen (II-13)
Verbergen Sie Ihre IP-Adresse mit einem VPN (II-17)
Surfen mit Verschlüsselung (III-23)
Sollte man Passwörter wiederverwenden? (IV-38)
Gönnen Sie sich eine Pause von der digitalen Welt (IV-39)
11. Inkognito: Es ist meine Meinung
»Google weiß, dass Sie und ich im Augenblick genau hier in diesem Café sitzen. Sie haben es ihnen selbst verraten, als Sie dieses Treffen in Ihrem Google-Kalender vermerkt haben.« Die Frau an unserem Tisch meint das todernst. Giselle bildet politische Aktivisten und Journalisten aus, damit diese ihr eigenes Onlineverhalten verstehen und die Folgen ihres Handelns im Netz begreifen. Sie bringt ihnen bei, wie sie ihre Privatsphäre online schützen, ihre Chats und E-Mails verschlüsseln, ihre Daten bereinigen und sichere Back-ups erstellen können.
Die 33-Jährige, die ihre eigenen Daten auf gesicherten Servern in Holland und Island speichert, nutzt ausschließlich Software und Dienste der höchsten Sicherheitsstufe. »Sonst werden Menschen verhaftet und können sterben«, sagt Giselle. Ein typisches Beispiel ist ein politischer Aktivist, der sein Büro verlässt, um nach Hause zu gehen. Als er am nächsten Tag zurückkehrt, fehlt die Festplatte aus seinem Computer. »Politische Journalisten müssen gründlich über die Konsequenzen nachdenken, wenn sie ihre E-Mails nicht verschlüsseln, die sie an politische Aktivisten und andere vertrauliche Quellen versenden.«
Zwischen 2009 und 2011 wurden soziale Medien als Kraft des Guten gefeiert, als Katalysatoren, die es Millionen von Menschen im Nahen Osten, Europa und Amerika ermöglichten, sich im Namen der Freiheit und der Demokratie zu organisieren und weitere Anhänger zu mobilisieren. Aber die Wahrheit ist
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