Mich kriegt ihr nicht!: Gebrauchsanweisung zur digitalen Selbstverteidigung (German Edition)
und andere persönliche Angaben von zwei anderen Diensten ein und missbraucht sie dann für einen völlig anderen Zweck – ohne Wissen oder Zustimmung der betroffenen Nutzer. Wer seine Privatsphäre-Einstellungen vernachlässigt, steht – wie in diesem Fall – am Ende als Flittchen da.
Es sind öffentliche Angaben, verteidigte sich die russische Firma SMS Services O. o. o., die die App entwickelt hatte. Das App-Logo spricht Bände: ein grüner Radarschirm mit der Silhouette einer nackten Frau, dazu der Slogan: »Eine revolutionäre neue Stadt-Scanner-App, die Ihre Stadt in ein Dating-Paradies verwandelt!«
Porno ist sicher, Flirten nicht
Sind Sie nun vom größten Spielplatz für Männer und Frauen, die in Stimmung sind, abgeschreckt worden, wäre es vielleicht besser, eine explizite Dating-Seite zu besuchen. Viele dieser Anbieter verlangen einen Mitgliedsbeitrag, sind aber leider genauso riskant, wenn man anonym bleiben will. Wie eine Studie der Stanford University ergab, teilen viele dieser Partnervermittlungsseiten Namen und Nutzernamen mit anderen Webseiten. Eine der untersuchten Dating-Webseiten gab sogar Geschlecht, Alter, Postleitzahl und Beziehungsstatus seiner Mitglieder an Dritte weiter. 7
Diese Daten sind eine Goldgrube, denn die Informationen lassen sich zu wertvollen Bündeln schnüren. Wer mit großen Datenmengen, big data , hantiert, geht in Daten-Supermärkten, data marts , einkaufen, wo die Hochregale mit Petabytes unseres Lebens gefüllt sind. Infochimps ist einer dieser Datenmärkte, bei dem andere Unternehmen große Datensätze erwerben können – auch von Flirt-Seiten.
Im Frühjahr 2012 gab es so den gesamten Datenbestand von OkCupid, einer beliebten Seite für Dating-Spiele, für 1000 Dollar zu kaufen. Die Daten waren aufgeschlüsselt nach Antworten auf 28 angeblich lustige Fragen und persönlichen Kategorien wie Alter, Geschlecht, Wohnort, politische Orientierung.
Datenschutzexperten sehen OkCupid aus verschiedenen Gründen als eine höchst riskante Adresse im Netz, um Intimes auszuplaudern. Die Liste der Mängel sollte Ihnen zu denken geben, da diese immer wieder auftauchen: Die Dating-Seite verwendet nicht das allgemein übliche verschlüsselte Übertragungsprotokoll HTTPS, sodass Nutzerdaten ebenso wie Antworten und Suchanfragen völlig exponiert sind. OkCupid verkauft Nutzerdaten zudem an mindestens neun verschiedene Tracking-Unternehmen und Werbenetzwerke, sagt dem Nutzer aber nicht, an welche. Darüber hinaus speichert es persönliche Daten auf unbestimmte Zeit, auch nachdem man Quizfragen über sexuelle Gewohnheiten oder Drogenkonsum beantwortet hat. 8
Um das Ganze zu krönen, wurde OkCupid von Match.com übernommen, einem der größten Kontaktportale im Web. Match.com ist wiederum ein Teil der IAC/Interactive Corp., einem amerikanischen Internet-Mischkonzern, der Benutzerinformationen von einem Dienst munter an seine mehr als 50 anderen Töchter und Webseiten weiterreicht. Was also wie ein lustiger Flirt oder ein anzügliches Quiz daherkommt, ist an das sechstgrößte Werbenetzwerk der Welt angeschlossen. Aus dieser Beziehung kommt keiner so schnell wieder heraus.
Es wird Ihnen auch nicht viel helfen, wenn Sie Ihren richtigen Namen nicht preisgeben, da sich online fast immer genügend andere Informationen finden lassen, um Ihre Identität aus verschiedenen Quellen wieder zusammenzusetzen. Der schon erwähnte Ökonom und Datenschützer Alessandro Acquisti nutzte für eine seiner Studien Profilfotos von einer Dating-Webseite, auf der Menschen Pseudonyme benutzten, um ihre Identität zu schützen. Dann verglich sein Team diese Bilder mit Hilfe von Gesichtserkennungssoftware mit frei erhältlichen Fotos auf Facebook. Die Forscher mussten sich noch nicht einmal bei dem Netzwerk anmelden, um einen erheblichen Anteil der Menschen auf der vermeintlich anonymen Dating-Webseite in Windeseile mit Namen identifizieren zu können.
Online zu flirten ist das eine. Ein großer Teil des gesamten Internetverkehrs ist aber der Tatsache geschuldet, dass Männer und Frauen Pornoseiten besuchen. Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass gut ein Achtel aller Webseiten Pornografie in der einen oder anderen Form anbietet. Pornoseiten stehen ganz oben auf der Liste der 100 beliebtesten Webadressen, und viele von ihnen bieten nackte Tatsachen gratis an, um Werbung zu verkaufen und vor allem Kunden für gebührenpflichtige Seiten zu ködern.
Das virtuelle Rotlichtmilieu gibt Anlass zur Sorge, dass
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