Mich kriegt ihr nicht!: Gebrauchsanweisung zur digitalen Selbstverteidigung (German Edition)
beliebtesten Dienste einen Großteil ihres Datenverkehrs durch amerikanische Server leiten und Daten ausländischer Nutzer auf Festplatten in diesem Land speichern. So setzen sie ein globales Publikum – von Privatpersonen bis zu Unternehmen – den Gefahren der automatischen Datenhäscherei durch Regierung und Unternehmen aus.
Eigentlich sollte das Safe Harbor (sicherer Hafen) genannte Abkommen aus dem Jahr 1998 dafür sorgen, dass die ungleichen Datenschutzbestimmungen in Europa und den USA aufeinander abgestimmt werden, wenn Daten von EU-Bürgern ins Ausland abgesaugt werden. Da es allerdings auf der freiwilligen Selbstverpflichtung der Firmen beruht, ermöglicht es US-Anbietern, auf dem Papier ihre Zustimmung zu EU-Vorschriften zu geloben, um auch in Übersee kräftig zu expandieren. Wie die anhaltenden Auseinandersetzungen zwischen Datenschützern und Behörden in Deutschland, Frankreich oder Brüssel mit Firmen wie Google oder Facebook zeigen, scheren sich die meisten Onlineanbieter wenig um Datenschutz und Privatsphäre in der EU, wenn es ihrem Geschäftsmodell im Wege steht. Street View, WLAN-Spionage und unautorisierte Gesichtserkennung sind nur drei Beispiele für derlei Datensammelwut.
Keine Sicherheit in der Cloud
Wenn Cloud-Dienste »privates« Messaging oder »sichere« Verbindungen zu und von einem Gerät anbieten, bedeutet das nicht, dass der Inhalt tatsächlich verschlüsselt ist, oder dass der Anbieter keinen Entschlüsselungscode hat bzw. ihn nicht verwenden wird. Apple zum Beispiel schreibt in seinen Nutzungsbedingungen für iCloud, die im Sommer 2012 mehr als 150 Millionen Menschen nutzten, dass es »auf Ihre Konto-Informationen und Inhalte zugreifen, sie nutzen, aufbewahren und/oder an Strafverfolgungsbehörden weitergeben kann«. 9 Das Gleiche gilt für die Verbindungsdaten, die Telekommunikationsunternehmen in Europa und anderswo monate- oder jahrelang aufbewahren. Dieses Thema ist ein kritischer Punkt der andauernden Rechtsstreitigkeiten innerhalb der EU. Wie weit die Vorstellungen auseinanderklaffen, zeigt sich, wenn man die Fristen im neuesten Leitfaden zur datenschutzgerechten Speicherung von Verbindungsdaten der Bundesnetzagentur mit den Gepflogenheiten bei amerikanischen Telekomfirmen vergleicht. So werden in der Bundesrepublik Daten zu Telefonaten und SMS maximal drei Monate aufbewahrt. In den USA horten Netzbetreiber diese Angaben bis zu sieben Jahre. 10
Selbst wenn Behörden oder Kläger keinen Zugang zu den Inhalten der Nachrichten haben: Die Zuordnung der Metadaten reicht bereits, um das persönliche Netzwerk eines Individuums aus Absendern und Empfängern zu rekonstruieren. Ebenso sind Logbücher mit Zeiten und Standorten geeignet, um Verdacht zu schüren oder jemandem Schuld zuzuweisen, weil er sich zur gleichen Zeit am selben Ort aufhielt wie Zielperson X.
Mobilfunkbetreiber speichern, welche Funkmasten Ihr Handy oder Tablet anpeilt. Das ist für Fahnder hilfreich, die im Trüben fischen. Wenn Sie etwa zufällig in der gleichen Funkzelle oder demselben WLAN-Hotspot eingeloggt waren wie ein Terrorverdächtiger, stehen Sie bereits auf der Liste von Personen, die sich Analysesoftware und Polizei genauer ansehen werden. Ein paar Jahre in Ihrer Vergangenheit zurückzuwühlen dauert Sekunden.
Der Zugriff auf solche Daten wird immer einfacher, da seit 2001 Daten mit der Aufschrift »Antiterror« oder »Im Interesse der nationalen Sicherheit« durchgewinkt oder – wenn es sich um Inhalte handelt, die einer Regierung nicht genehm sind – von einem Anbieter fraglos aus dem Netz genommen werden. Google wirft mit einem halbjährlichen Zensur-Report ein kleines Schlaglicht auf dieses Problem. Der Bericht listet auf, wie viele Regierungen auf der ganzen Welt regelmäßig versuchen, Online-Informationen zu entfernen. 11
Der Begriff des Heimatschutzes und der des potenziellen Staatsfeindes ist beliebig dehnbar und rechtfertigt Übergriffe und Schikanen. Aktivisten wie der Computer-Sicherheitsexperte und WikiLeaks-Aktivist Jacob Appelbaum oder die Dokumentarfilmerin Laura Poitras, beides US-Bürger, gehören zu Tausenden von Reisenden, deren elektronische Geräte bei der Einreise in die USA beschlagnahmt wurden. Die amerikanischen Behörden behalten sich das Recht vor, Laptops, Smartphones und sogar Kameras wochenlang einzubehalten und alle Daten zu kopieren. 12
Die US-Bürgerrechtsorganisation American Civil Liberties Union schätzt, dass rund 12-mal am Tag ein elektronisches Gerät
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