Mich kriegt ihr nicht!: Gebrauchsanweisung zur digitalen Selbstverteidigung (German Edition)
und die Daten fallen in die Hände neuer Besitzer oder Hacker, angefangen von Chats und Fotos bis hin zu Kontoauszügen und anderen privaten Informationen wie Arbeitsunterlagen oder Gerichtsakten.
Es wird immer mehr Werkzeuge geben, die bei der Organisation digitaler Werte über lange Zeiträume helfen, aber es empfiehlt sich, viele Dinge auszudrucken und altmodische Alben oder Akten zu erstellen.
Dabei ist keineswegs sicher, dass viele der Dienste, die wir heute nutzen, in 20 oder 30 Jahren noch existieren werden. Genau wie Disketten unlesbar werden, sobald niemand mehr die passenden Laufwerke hat, könnten Internetdienste weiterverkauft oder stillgelegt werden oder einfach das Geschäftsmodell ändern – mit fatalen Folgen für alle Bestandteile Ihrer digitalen Identität.
Auch die Art und Weise, wie Menschen mit toten Familienmitgliedern und Freunden im Netz umgehen, ändert sich im Laufe der Zeit. Die Online-Präsenz eines jeden Einzelnen wandelt sich zu einem neuen Leben nach dem Tod. Jed Brubaker, ein Forscher an der University of California in Irvine, hat untersucht, wie Menschen mit den Profilen Verstorbener auf sozialen Netzwerken interagieren, und dabei entdeckt, dass digitale Identitäten am Leben bleiben, obwohl deren Eigentümer schon lange tot sind. Auf dem inzwischen weitgehend in Vergessenheit geratenen Netzwerk MySpace beobachtete er, dass Nutzer Jahr für Jahr zurückkehren, um mit den inaktiven Konten toter Bekannter zu interagieren, um Trauer oder Gefühle des Verlustes auszudrücken.
Auf Facebook entdeckte Brubaker ein weiteres interessantes Verhaltensmuster: Trauernde Eltern besuchen oft die Gedenkseiten ihrer Kinder, wissen aber, im Gegensatz zu den Freunden ihrer Kinder, nicht, wie sie sich auf diesem unbekannten Terrain verhalten sollen. Je älter die aktuelle Generation der sogenannten Digital Natives wird, desto mehr werden sich auch die Ängste und Empfindlichkeiten im Umgang mit den Überresten eines Online-Lebens ändern. Brubaker ist sich einer Sache sicher: »Der Tod spielt eine zunehmend wichtigere Rolle in der Erfahrung des Social Networking.« 8
Einige Freaks der digitalen Welt sind in der Zwischenzeit eifrig dabei, das Leben nach dem Tod zu perfektionieren – zumindest im Netz. Das reicht von der Sicherung aller Daten und Dateien bis zum Aufbau einer virtuellen Person aus all den digitalen Spuren, die wir zurücklassen. Viele der Ideen erinnern an eine unheimliche Erweiterung der Lifelogging-Werkzeuge, von denen schon die Rede war. Am Ende steht die Vision, Opa neu zu starten, lange nachdem er gestorben ist.
Diese Tüftler, die zum Teil an das ewige Leben auf einem Server glauben, argumentieren, dass Sie bald in der Lage sein werden, ein digitales Abbild Ihrer selbst zu rekreieren, da Sie jahraus, jahrein genug Daten über sich selbst gesammelt haben. Der Doppelgänger im Netz kann ewig leben – solange jemand die Monatsgebühr bezahlt. Speisen sollen sich diese virtuellen Identitäten nicht nur aus Textbeiträgen und Fotos, sondern auch aus Ton- und Videodateien, Chat-Protokollen, vielleicht sogar aus biometrischen Feeds und Messungen der Laune an einem bestimmten Tag.
Die aus Jahrzehnten eines Lebens extrahierten Daten würden es Familien und Freunden ermöglichen, einen Verstorbenen auf Knopfdruck heraufzubeschwören, etwa in Form einer Computeranimation, einer holografischen Projektion oder als Treiber für einen Roboter, der sich aus dem historischen Datenstrom speist, während er der Witwe oder den Enkeln Gesellschaft leistet oder ein Fotoalbum vom Familienurlaub zeigt. Anhänger der Theorie der Verschmelzung von Mensch und Maschine, wie der US-Computerwissenschaftler und Erfinder Ray Kurzweil, glauben, es sei nur eine Frage der Zeit und Erschwinglichkeit, bevor wir solche mindfiles , virtuelle Kreaturen, erzeugen, auf einen Rechner laden und bei Bedarf zum Laufen bringen können.
Für jemanden wie Airdrie Miller ist diese Aussicht ein Gräuel. Ihr Mann Derek war ein begeisterter Blogger, der im Jahr 2011 an Krebs starb. Er verfasste einen berühmten letzten Blog-Beitrag, der so begann: »So. Ich bin tot …« und nach seinem Ableben online zu lesen war. 9 Seine Witwe verbrachte Monate damit zu klären, was mit seinen verschiedenen Online-Konten und seinem gesamten digitalen Erbe geschehen sollte. Ihre Trauer wurde zu einer Lehrzeit als Technologie-Autodidaktin und der Fehlerbehebung.
Im Frühjahr 2012 kehrte Miller langsam wieder zurück zum Online-Dating, um
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