Michelle Reid
nahmen. Er war es leid, sich um ihre Probleme zu kümmern.
Und das galt auch für das Geld, das Rico von ihm gestohlen hatte, beschloss Leo und zog verwundert die Augenbrauen zusammen, weil ihm erst jetzt der Grund wieder einfiel, weshalb er in Ricos Büro gegangen war.
Natasha ist eines von Ricos Problemen, dachte er und warf ihr einen kurzen Seitenblick zu. Sie saß reglos da, bleich wie eine Wand und sah aus, als müsse sie sich jeden Moment wieder übergeben.
„Denk darüber nach“, setzte er seine sarkastischen Kommentare fort. Er wollte sie gar nicht weiter quälen, konnte jedoch einfach nicht schweigen. „Die beiden passen viel besser zusammen als du und Rico. Er steht auf Frauen wie deine Schwester – du musst doch wissen, wie seine verflossenen Gespielinnen aussehen, oder? Hast du dich nie gefragt, weshalb er ausgerechnet dich ausgewählt hat?“
Seine gemeinen Worte ließen die Tränen in Natashas Augen noch heftiger brennen. „Ich dachte, er liebt mich“, flüsterte sie.
„Weshalb er sich ja auch mit deiner Schwester auf seinem Schreibtisch vergnügte, wenn er doch eigentlich in meinem Meeting sein und sich verteidigen sollte.“
„Sich verteidigen?“
Leo antwortete nicht. Die Lippen zu einer schmalen Linie zusammengepresst, stieg er aus dem Wagen. Er ärgerte sich über sich selbst, weil er Natasha für Ricos Sünden bestrafen wollte.
Er umrundete den Wagen, öffnete die Beifahrertür und half Natasha beim Aussteigen. Das Klingeln ihres Handys lenkte sie lange genug ab, dass er sie ohne Widerstände ins Haus ziehen konnte.
Im Wohnzimmer schob er sie vor einen Sessel und ging dann zu dem Schränkchen, in dem er die alkoholischen Getränke aufbewahrte.
Seine Hände zitterten, während er den Brandy in ein Glas schenkte. Er kehrte zu Natasha zurück. Mittlerweile saß sie steif und aufrecht auf der Kante des Sessels, die Handtasche auf dem Schoß.
„Hier.“ Er reichte ihr das Glas. „Trink das. Vielleicht hilft es dir, dich ein bisschen lockerer zu machen.“
Für das, was als Nächstes passierte, gab es keine Vorwarnung. Völlig unvermittelt sprang Natasha auf und schleuderte ihm den Brandy ins Gesicht.
„F…für wen hältst du dich, dass du glaubst, mich so behandeln zu können?“, schrie sie ihn an. „Jeder, der dir zuhört, würde glauben, du seist derjenige, der betrogen worden wäre! Oder ist es genau das? Verhältst du dich mir gegenüber so abscheulich, weil du dir wünschst, du hättest an Ricos Stelle mit meiner Schwester geschlafen?“
Während goldgelber Brandy von seinem Gesicht tropfte, hörte der ansonsten so unerschütterliche Leo Christakis sich sagen: „Nein. Ich wünschte, es wären du und ich gewesen.“
2. KAPITEL
In dem unbehaglichen Schweigen, das dem absurden Geständnis folgte, sah Natasha in Leos mit Alkohol benetztes Gesicht und wünschte, der Brandy befände sich noch in ihrem Glas, damit sie ihn ein zweites Mal damit überschütten könnte!
„Wie kannst du es wagen?“, herrschte sie ihn entrüstet an. Ihre blauen Augen blitzten auf und funkelten dann wie Diamanten, als sie sich wieder mit Tränen füllten. „Meinst du nicht, ich bin bereits genug gedemütigt worden? Musst du dich auch noch über mich lustig machen, als sei alles nur ein schlechter Scherz gewesen?“
„Das war kein Witz“, hörte Leo sich murmeln. Als ihm die Wahrheit seiner Worte bewusst wurde, verzog er das Gesicht. Dass er sich seit Wochen nach Natasha verzehrte, war wirklich kein Scherz.
Nein, der eigentliche Witz lag in der Tatsache, dass er es zugegeben hatte.
Er wandte sich ab und fischte mit einer Hand das nie gebrauchte, aber stets von seiner Haushälterin dort platzierte Taschentuch aus der Seitentasche des Jacketts. Während er den Brandy von seinem Gesicht wischte, warf er Natasha einen kurzen Seitenblick zu. Wie erstarrt stand sie in ihrem adretten blauen Kostüm und den Schuhen mit den niedrigen Absätzen vor ihm, die Augen vor Entsetzen weit aufgerissen.
„Du hast seltsame Vorstellungen von Männern, Natasha, wenn du glaubst, zurückgebundene Haare und hochgeschlossene Kleidung könnten sie davon abhalten, sich neugierig zu fragen, was wohl vor ihnen verborgen werden soll.“
Ein raues Lachen entrang sich Leos Kehle.
„Wir stehen nicht alle auf magersüchtige Popstars, die gerade erst die Schule beendet haben“, klärte er sie auf. „Manche Männer mögen sogar die Herausforderung einer Eroberung, anstatt alles auf einem Silbertablett serviert zu
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