Michelle Reid
eingerahmt von dichten schwarzen Wimpern, was sein Gesicht beinahe sanft erscheinen ließ. Die leichte Unebenheit auf seinem Nasenrücken korrigierte jedoch den ersten Eindruck und gab ihm etwas Raues und Eigenwilliges.
Er war acht Jahre älter als Rico, und somit über zehn Jahre älter als sie. Und diese zusätzlichen Jahre an Lebenserfahrung spiegelten sich in seinen unverblümten Meinungen, die er ohne die geringsten Skrupel auch aussprach.
Seine Haut schimmerte in einem warmen Honigton. Zum ersten Mal bemerkte sie seine ebenmäßigen Gesichtszüge – dabei runzelte er die Stirn so oft. Zumindest in ihrer Gegenwart.
Sie war sich nicht bewusst, dass sie, während sie ihn eingehend musterte, den Brandy in kleinen Schlucken trank. So sehr war sie mit den breiten Schultern beschäftigt, dem muskulösen Oberkörper. Im Stehen überragte er Rico um mehrere Zentimeter. Sein schwarzes Haar war kurz geschnitten und betonte so zusätzlich die Ausdrucksstärke seines Gesichts.
Diese Frau ist auf Streit aus, dachte Leo, ihren hübschen Mund betrachtend, während sie ihn abschätzend musterte.
„Wie alt bist du, Natasha?“, fragte er neugierig. „Sechsundzwanzig? Siebenundzwanzig?“
„Ich bin vierundzwanzig!“, erwiderte sie kalt. „Und das war eine weitere Beleidigung!“
„Du bist ganz schön kleinlich.“ Seine Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen.
„Ja.“
Wenn ihre blauen Augen so wie jetzt aufblitzen, schoss es Leo durch den Kopf, sieht sie fantastisch aus. Was sollte er jetzt tun?
Er könnte sie küssen – aus irgendeinem Grund kam es ihm so vor, als wolle sie, dass er genau das tat. Oder er könnte ihr das Glas aus den zitternden Fingern nehmen und sie ermutigen, es endlich hinter sich zu bringen und sich an seiner Schulter auszuweinen.
Ein seltsames Gefühl stieg in ihm auf – diesmal kein erotisches Verlangen, sondern eher ein schmerzhaftes Sehnen. Wusste sie eigentlich, wie sehr sie zitterte?
„I…ich möchte jetzt nach Hause“, murmelte sie.
In das Apartment, das sie mit ihrer Schwester bewohnte? „Trink erst den Brandy“, sagte Leo ruhig.
Natasha schaute auf das Glas, das sie mit festem Griff umklammert hielt. Der Anblick schien sie zu überraschen. Leo beobachtete, wie sie das Glas an die Lippen setzte, wie sie den Mund ein wenig öffnete und einen Schluck goldgelben Brandy trank … und das seltsame Gefühl wandelte sich wieder in leidenschaftliches Begehren.
Unvermittelt ertönte die Türklingel.
Rico rief laut Natashas Namen.
Natasha sprang auf. Das Glas rutschte ihr aus den Fingern und landete mit einem dumpfen Laut auf dem Boden. Die Reste des Brandys ergossen sich über den Teppich.
„Natasha …“ Leo, der immer noch gehockt vor ihr saß, streckte die Arme aus, weil er fürchtete, sie könne ohnmächtig werden.
Aber wieder einmal verblüffte Natasha Moyles ihn. Es war gar nicht nötig, sie zu sich auf die Knie zu ziehen. Sie landete zwischen seinen Beinen, schlang die Arme um seinen Nacken und sah ihn mit einer Mischung aus Hilflosigkeit und Entsetzen an.
„Lass ihn nicht herein“, bat sie.
„Das werde ich nicht“, versprach Leo.
„Ich hasse ihn. Ich will ihn nie wiedersehen.“
„Ich werde ihn nicht ins Haus lassen“, wiederholte er.
Aber Rico hörte nicht auf, ihren Namen zu rufen. Sie hörten, wie Leos Haushälterin ein paar scharfe Worte an Rico richtete. „Mein Herz klopft so schnell, ich kann nicht richtig atmen“, wisperte Natasha.
Ein herausforderndes Funkeln trat in Leos Augen. Er hätte es verbergen sollen, dennoch flüsterte er leise: „Ich kann es noch schneller schlagen lassen.“
Falls er sie damit von Rico ablenken wollte, funktionierte das ausgezeichnet. Als sie vor Überraschung nach Luft rang, spürte er ihn wieder, jenen vibrierenden Funken tief in seinem Inneren.
Er beugte sich vor und presste seine Lippen auf die ihren.
Es ist, als fiele man in eine Grube voller elektrischer Blitze, ging es Natasha durch den Kopf. Etwas Vergleichbares hatte sie noch nie erlebt. Leo intensivierte den Kuss und ließ seine Zunge in ihren Mund gleiten. Die Berührung sandte einen lustvollen Schauer über ihren Körper.
Leo murmelte etwas, legte die Arme um ihre Hüften und zog Natasha enger an sich. Die nächsten Sekunden verflogen wie im Rausch. Vor der Haustür rief Rico weiterhin nach ihr.
Das ist doch verrückt, dachte sie. Schließlich mochte sie Leo Christakis nicht einmal. Und doch küsste sie ihn voller Leidenschaft.
Er ließ seine
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