Mickey Haller 04 - Der fünfte Zeuge
und Kilometer auf dem Tacho zu sparen, legte ich die Beratungsgespräche mit meinen Mandanten, wenn möglich, immer nach geographischen Gesichtspunkten. Heute war ich im South End unterwegs. Morgen war East L.A. an der Reihe. Zwei Tage die Woche war ich im Auto unterwegs und akquirierte neue Mandanten. Die restliche Zeit arbeitete ich an den Fällen.
»Jetzt kommen Sie schon, Mrs. Pena«, brummte ich. »Wir müssen los.«
Ich beschloss, die Zeit zu nutzen und Lorna anzurufen. Vor drei Monaten hatte ich begonnen, meine Rufnummer zu unterdrücken.
Als ich noch als Strafverteidiger praktizierte, hatte ich das nie getan, aber in der schönen neuen Welt der Zwangsversteigerungen wollte ich nicht unbedingt, dass die Leute meine Nummer kannten. Und das galt sowohl für die Anwälte der Gläubiger als auch für meine Mandanten.
»Anwaltskanzlei Michael Haller und Partner«, meldete sich Lorna. »Was kann ich …«
»Ich bin’s. Was gibt’s?«
»Mickey, du wirst dringend gebraucht. In der Van Nuys Division.«
Die Dringlichkeit in ihrem Ton war unüberhörbar. Die Van Nuys Division war die Kommandostelle des LAPD für das ausgedehnte San Fernando Valley am Nordrand der Stadt.
»Ich bin heute unten im Süden unterwegs. Wieso, was ist?«
»Sie haben Lisa Trammel dorthin gebracht. Sie hat eben angerufen.«
Lisa Trammel war eine Mandantin. Genau genommen, meine erste Zwangsversteigerungsmandantin. Ich hatte erreicht, dass sie inzwischen schon acht Monate länger in ihrem Haus hatte bleiben können, und war zuversichtlich, mindestens noch einmal ein Jahr herausschinden zu können, bevor wir die Insolvenzbombe zünden mussten. Die Frustrationen und Ungerechtigkeiten ihres Lebens hatten ihr jedoch so zugesetzt, dass sie sich nicht mehr hatte beruhigen oder kontrollieren lassen. Sie hatte geglaubt, vor ihrer Bank demonstrieren und auf einem Schild deren betrügerische Praktiken und herzlosen Aktionen anprangern zu müssen. Zumindest so lange, bis ihr die Bank das mittels einer einstweiligen Verfügung untersagte.
»Hat sie gegen die einstweilige Verfügung verstoßen? Haben sie sie festgesetzt?«
»Mickey, sie haben sie wegen Mordes verhaftet.«
Damit hatte ich nicht gerechnet.
»Wegen Mordes? Wer ist das Opfer?«
»Sie sagt, sie ist des Mordes an Mitchell Bondurant angeklagt.«
Mir verschlug es zum zweiten Mal die Sprache. Ich schaute aus dem Fenster und sah Mrs. Pena aus ihrem Haus kommen. Sie hielt ein Bündel Geldscheine in der Hand.
»Okay, dann häng dich gleich mal ans Telefon und sag alle weiteren Termine für heute ab. Und sag Cisco, er soll nach Van Nuys hochfahren. Ich treffe mich dort mit ihm.«
»Alles klar. Soll die Nachmittagstermine Bullocks übernehmen?«
»Bullocks« war Jennifer Aronson, meine neue Partnerin. Sie hatte gerade ihr Jurastudium an der Southwestern Law School abgeschlossen. Das war eine juristische Privatuniversität, die sich im ehemaligen Bullocks-Kaufhaus im Wilshire Boulevard befand.
»Nein, ich will nicht, dass sie akquiriert. Leg die Termine bloß um. Ach, ich glaube, ich habe die Trammel-Akte sogar dabei, aber die Telefonliste müsstest du haben. Versuche, ihre Schwester zu erreichen. Lisa hat einen Sohn. Wahrscheinlich ist er im Moment noch in der Schule, aber irgendjemand muss sich um ihn kümmern, wenn Lisa es nicht kann.«
Wir ließen alle Mandanten eine ausführliche Kontaktliste ausfüllen, weil es manchmal schwierig war, sie für Gerichtstermine zu erreichen – oder dazu zu bringen, mich für meine Arbeit zu bezahlen.
»Ich mach mich gleich an die Arbeit«, sagte Lorna. »Viel Glück, Mickey.«
»Dir auch.«
Ich steckte das Handy weg und dachte an Lisa Trammel. Irgendwie überraschte es mich nicht, dass sie wegen der Ermordung des Mannes festgenommen worden war, der ihr ihr Haus wegzunehmen versucht hatte. Nicht, dass ich damit gerechnet hatte, dass es so weit kommen könnte. Nicht einmal annähernd. Aber dass es zu irgendetwas kommen würde, das hatte ich gewusst.
2
I ch nahm rasch Mrs. Penas Geld und gab ihr eine Quittung. Wir unterschrieben beide den Vertrag, und sie erhielt eine Kopie für ihre Unterlagen. Ich notierte mir eine ihrer Kreditkartennummern, und sie versicherte mir, sie wäre für monatliche Abbuchungen in Höhe von zweihundertfünfzig Dollar verwendbar, solange ich für sie tätig wäre. Dann bedankte ich mich bei ihr, schüttelte ihr die Hand und bat Rojas, sie zum Haus zurückzubegleiten.
Während er das tat, öffnete ich per
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