MicrDolly - 07 - Dolly hat Heimweh nach der Burg
gibt die Hoffnung nicht auf“, meinte Susanne.
„Und die liebe Mama ist deshalb sauer zu Hause geblieben, meinst du?“ Dolly lachte. „Nun, Evelyn wird uns sicher gleich brühwarm erzählen, was für Unrecht ihr widerfahren ist.“
Die Spitze des Zuges verschwand unter den mächtigen Bäumen, die die Einfahrt zum ehemaligen Burgweghof säumten. Die Schritte hallten auf dem altmodischen Kopfsteinpflaster. Der Weg lief gerade auf ein breites, weißes Fachwerkgebäude zu, das von einem überhängenden Strohdach in die Erde gedrückt zu werden schien. Fachwerk und Fensterläden waren in einem dunklen Tannengrün gestrichen, die Fenster blitzten in der Abendsonne, und vor dem Haus wiegten sich Stockrosen, Sonnenblumen und Rittersporn im Wind.
Frau Greiling stand bereits an der Tür und wartete darauf, daß auch die letzten Nachzügler herankamen.
„Dieses Gebäude hier“, sagte sie dann mit ihrer tiefen, weithin hörbaren Stimme, „das ehemalige Wohnhaus, beherbergt die Aufenthaltsräume, den Speisesaal, die Küche und die Lehrerwohnungen. Die meisten Unterrichtsräume befinden sich drüben in der ausgebauten Scheune. Die Wohnräume der Schülerinnen sind auf mehrere Gebäude verteilt. Und diese Gebäude haben entsprechend ihrem früheren Zweck ihre Namen behalten: so der Schafstall, der Kuhstall, das Mühlenhaus und das Hühnerhaus. Ich bitte sie aber“, fügte sie lächelnd hinzu, „von der Bezeichnung des Wohnhauses nicht auf den Charakter der Bewohnerinnen schließen zu wollen.“
Allgemeines Gelächter begleitete sie, als sie jetzt die schwere Haupttür aufschloß und das Möwennest offiziell in Betrieb nahm.
Frau Greiling bat die Gäste in den großen Aufenthaltsraum, der als besondere Attraktion einen offenen Kamin besaß. Die zukünftigen Schülerinnen konnten sich inzwischen in der Halle darüber informieren, in welchem der Häuser sie wohnen würden und wo sich das Gebäude befand. Ein großer Lageplan war ans Schwarze Brett geheftet, kleine Hauszeitungen, die die Mädchen über den Zeitplan der Unterrichtsstunden, Kurse, Mahlzeiten und sonstige Veranstaltungen sowie über die Hausordnung und schließlich die Namen der Lehrkräfte und Hausvorstände unterrichteten, lagen überall bereit.
„Hast du schon gesehen? Wir wohnen im Mühlenhaus“, sagte Dolly eifrig. „Es ist das letzte hinter den Ställen und liegt ein wenig abseits in einem großen Garten. Ich glaube, wir haben das große Los gezogen! Laß uns gleich rübergehen.“
Herr Rieder war auf dem Hof gerade dabei, die Koffer der beiden Mädchen aus dem Auto zu laden.
„Danke, Vati“, sagte Dolly strahlend. „Wenn du dort hineingehst, gleich rechts in den großen Aufenthaltsraum, wirst du mit Kaffee und Kuchen belohnt werden. Wir werden inzwischen unser neues Reich aufsuchen.“
„ Wenn du dort in den großen Aufenthaltsraum gehst, wirst du mit Kaffee und Kuchen belohnt werden.“
„Weißt du, wie ich mir vorkomme?“ fragte Susanne, als sie zum Mühlenhaus hinübergingen. „Wie bei unserer ersten Ankunft in Burg Möwenfels. Überall unbekannte Gesichter – wie soll man sich bloß all die Namen merken!“
„Oh, ganz einfach. Drüben in der Burg haben wir sie eingeteilt in ,die vom Nordturm’, ,die vom Südturm’, ,vom Westturm’, und so weiter – und hier werden wir sagen: ,die aus dem Schafstall’, ,die aus dem Kuhstall’ und ,die aus dem Hühnerstall’“, meinte Dolly verschmitzt. „Oder einfach: die Schafe, die Kühe, die Hühner…“
„Und wir sind die Müller, wie?“
„Übrigens, was ist eigentlich mit dem Pferdestall?“ Dolly schaute
Susanne fragend an.
„Dreimal darfst du raten“, tönte es hinter Dolly. Die Stimme kam
ihr bekannt vor.
„Will! Na das ist eine Überraschung! Wohnst du auch hier? Oder
bist du nur einmal herübergeritten, um dir das nagelneue Möwennest
anzusehen?“
„O nein!“ Hinter Will tauchte Clarissa auf und mischte sich ins
Gespräch. „Die Sehnsucht nach euch hat uns nicht schlafen lassen, da
haben wir uns entschlossen, euch für ein oder zwei Jahre Gesellschaft
zu leisten. Wie findet ihr das?“
„Ist das wahr?“ rief Susanne begeistert. „Großartig! Jetzt sind wir
schon vier ,Ehemalige’.“
„Fünf. Du vergißt Evelyn“, sagte Dolly. „Aber erzählt mal, ihr
beiden: Was wird aus eurer Reitschule?“
„Nun, um ehrlich zu sein“, berichtete Will, „unsere Eltern fanden
uns noch etwas zu jung für eine so verantwortungsvolle Aufgabe. Sie
fanden, es könne uns nichts
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