MicrDolly - 07 - Dolly hat Heimweh nach der Burg
DivaLächeln zum Dank, das er mit einer weiteren knappen Verbeugung würdigte.
„Sein gebremster Charme scheint bei ihr anzukommen“, meinte Will grinsend.
„Und so was macht sich Sorgen um seine Zukunft“, sagte Dolly kopfschüttelnd.
„Nicht um ihre Zukunft“, verbesserte Susanne, „um ein sorgenfreies Dasein, in dem man sie auf Händen trägt. Allmählich glaube ich auch, daß Evelyn sich nie ändern wird. Schade!“
„Na kommt. Wenn wir hier noch länger rumstehen, haben sie uns alles weggegessen.“
Dolly nahm Susanne am Arm und ging mit ihr zum Büffet. Auf halbem Wege stieß sie mit einem rundlichen kleinen Herrn zusammen, der seine Augen auf den übervoll gehäuften Teller geheftet hatte. Ein Tomatenviertel, gefolgt von einem halben Ei schlüpfte ihm in den Ärmel seines Jacketts.
„Pardon, Mademoiselle!“ rief er erschrocken und starrte Dolly an, als erwarte er in ihrem Gesicht die Antwort zu lesen, wie er sich aus seiner mißlichen Lage befreien könnte. Das Ei war mit Mayonnaise verziert gewesen und die Tomate hatte in öliger Salatsoße gelegen. Dolly überschaute die Situation mit einem Blick.
„Darf ich Ihnen behilflich sein, Herr…“
„Monnier. Gustave Monnier“, stellte sich der Angeredete hastig vor. „Ich unterrichte französische Geschichte und Literatur.“
„Und ich bin Dolly Rieder, eine Ihrer zukünftigen Schülerinnen. Kommen Sie, Monsieur Monnier, geben Sie mir Ihren Teller und das Besteck, dann können Sie das Unglück beseitigen.“ Dolly nahm ihm Teller und Besteck aus der Hand, da er vor ihr stand wie zur Salzsäule erstarrt, aus Angst, das Ei und die Tomate könnten zur allgemeinen Erheiterung aus seinem Ärmel ins Freie rutschen.
Susanne hatte inzwischen eine Serviette ergriffen, sie nahm Monsieur Monniers Hand, bog den Arm nach unten und fing beides auf, ohne daß jemand von dem Malheur gemerkt hatte. Dann tupfte sie dem Französischlehrer die Salatsoße vom Anzug.
„Merci, vielen Dank“, stotterte Monsieur Monnier, „Sie sind ganz reizend! Ich werde jetzt hinausgehen und mich ein wenig säubern. Nochmals – vielen Dank!“
„Wissen Sie was, Monsieur Monnier? Kommen Sie doch nachher an unseren Tisch. Wir sitzen da drüben bei meinen Eltern. Ihren Teller nehmen wir schon mal mit, einverstanden?“
„Oh, eine wirklich charmante Einladung, da sage ich nicht nein!“ Der kleine Franzose strahlte. Dann hüpfte er wie ein Gummiball nach draußen.
Dolly spazierte zum Büffet hinüber und verzierte Monsieur Monniers Teller mit ein paar frischen Tomatenstückchen und zwei halben Mayonnaise-Eiern. Als sie aufsah, traf sie ein strenger Blick. Er kam von einer älteren Dame hinter dem Büffet, die mit weißer Kittelschürze und in der Mitte gescheiteltem Haar dastand und den Gang der Dinge überwachte.
„Das ist nicht für mich…“, stotterte Dolly verwirrt und brachte Monsieur Monniers Teller in Sicherheit. Fast hatte sie Hemmungen, nun noch einmal ans Büffet zurückzukehren, um für sich selbst etwas zu holen. Zum Glück war die gestrenge Dame aber gerade damit beschäftigt, aus der Küche Nachschub zu organisieren.
Als Dolly an den Tisch zurückkehrte, saß Monsieur Monnier bereits zwischen Susanne und den Eltern und unterhielt sich in blendender Laune.
„Paris – was ist Paris gegen Lyon, Monsieur!“ sagte er gerade schwärmerisch. „Nur in meiner Heimatstadt Lyon werden Sie die wahren Höhepunkte französischer Kochkunst erleben!“
„Dann können wir also nur hoffen, daß unser Küchenmeister auch aus Lyon stammt“, meinte Dolly, während sie sich setzte.
„Ich weiß es nicht“, antwortete Monsieur, „ich hatte noch nicht das Vergnügen, ihn kennenzulernen. Aber eines verspreche ich Ihnen, Mademoiselle Dolly, sollten Sie je – nun, wie soll ich sagen – Probleme in diesem Fach haben, werde ich Ihnen gern Nachhilfeunterricht erteilen. Ich verstehe etwas von der Kochkunst!“
„Fein! Ich werde daran denken!“
Der erste Abend in der Burg
Während im Möwennest das rauschende Einweihungsfest gefeiert wurde, ging in der Burg alles seinen gewohnten Gang. Nachdem Frau Greiling mit den Ehrengästen und den zukünftigen Schülerinnen den Hof verlassen hatte, löste sich die Menge der zurückbleibenden Mädchen rasch auf. Jede suchte ihren Schlafsaal auf, um ihr Nachtzeug auszupacken und sich bei der Hausmutter zu melden.
Felicitas hatte ihren Kummer darüber, daß sie Dolly und die Eltern nicht begleiten konnte, bald vergessen. Wie herrlich war es, wieder in
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