MicrDolly - 07 - Dolly hat Heimweh nach der Burg
werdet es gleich wissen“, sagte Herr Rieder und lenkte den Wagen in die Einfahrt.
Der geräumige Innenhof war überfüllt. Lachende, schreiende Mädchen in allen Größen quirlten durcheinander, begrüßten sich, suchten nach Gepäckstücken und feierten lautstark Wiedersehen mit ihrer geliebten Schule.
„Herrlich, das noch einmal zu erleben“, seufzte Dolly. „Hallo, Irmgard! Wie geht es Alice? Oh, Felicitas, schau, da kommt Steffi!“
Felicitas war bereits auf dem Wege, ihre beste Freundin zu begrüßen.
„Tag, Johanna, schön, wieder hier zu sein, nicht wahr? Grüß dich, Pamela – da ist Mademoiselle! Mademoiselle Dupont!“ Dolly lief auf die rundliche Französischlehrerin zu und umarmte sie.
„Dolly Rieder, du – Sie sind ja eine richtige junge Dame geworden! Ich freue mich, Sie wiederzusehen!“
„Nicht doch, Mademoiselle, Sie werden mich doch nicht plötzlich siezen! Sie wollen mich doch nicht beleidigen!“
„Mon dieu, nein! Aber die Schülerinnen des neuen Internats sind erwachsene junge Damen und haben das Recht, als solche behandelt zu werden!“ sagte die kleine Lehrerin würdig.
„Nun, die neu hinzukommenden vielleicht“, räumte Dolly ein, „aber doch nicht wir alte ,Möwenfelserinnen’. Tun Sie mir den Gefallen!“
„Pst!“ machte Mademoiselle Dupont. „Es geht los!“
Erstaunt blickte sich Dolly um. Sie hatte gar nicht bemerkt, daß es auf dem Hof plötzlich still geworden war. Die Mädchen standen dicht gedrängt und schauten hinauf zum Portal, wo auf der Freitreppe ein paar feierlich gekleidete Herren und Damen erschienen und einen Halbkreis bildeten.
Herr und Frau Rieder waren hinter Dolly getreten.
„Ich glaube, jetzt gibt es eine Überraschung für euch“, meinte Frau Rieder.
Felicitas erschien und zog Steffi hinter sich her.
„Habt ihr schon gehört?“ rief sie aufgeregt. „Wir dürfen noch nicht in unsere Zimmer. Erst wird Frau Greiling eine Rede halten.“
Susanne drängte sich durch das Gewimmel bis zu den Rieders vor.
„Wo warst du?“ fragte Dolly. „Ich habe dich schon vermißt, du warst verschwunden, als ich meine Sachen aus dem Auto geholt hatte.“
„Ja, verzeih“, entschuldigte sich die Freundin. „Ich hatte unser gutes altes Pöttchen in der Menge entdeckt und bin zu ihr gelaufen, um mich nach unserer Bleibe zu erkundigen.“
„Und? Was hast du erfahren?“
„Pst! Ruhe!“ riefen die Umstehenden.
Vom Möwenfels ins Möwennest
Es war nicht Frau Greiling, die Direktorin von Möwenfels, die zuerst das Wort ergriff. Ein großer älterer Herr mit einem eisgrauen Schnurrbart, den Kopf von einem schmalen grauen Haarkranz wie von einem Heiligenschein umgeben, trat nach vorne.
„Professor Warneberg“, flüsterte jemand hinter Dolly. „Er ist der Präsident des Stiftervereins von Möwenfels.“
Der alte Herr räusperte sich und begann, halb zu der neben ihm stehenden Frau Greiling und halb zu den auf dem Hof Versammelten gewandt, zu sprechen.
„Meine sehr verehrte Frau Greiling, verehrte Lehrerschaft, liebe Freunde und Förderer von ,Möwenfels’, liebe Eltern und liebe Schülerinnen!“ Er machte eine Pause und schnaufte tief auf.
„Was für eine Vorrede!“ flüsterte Felicitas und kicherte.
Dolly gab ihr einen Rippenstoß.
Professor Warneberg fuhr in seiner Rede fort. Es war schwer zu verstehen, was er sagte, denn es gab kein Mikrophon und er sprach nicht besonders laut. Offensichtlich sprach er über die lange und ruhmreiche Geschichte von Burg Möwenfels, insbesondere, seit die ehrwürdigen Mauern die „beste Schule des Landes“ beherbergten. Dann dankte er den Stiftern und Initiatoren für die finanziellen Mittel, die es möglich gemacht hatten, Möwenfels eine Schwesterschule an die Seite zu stellen, die in ihrer Art mindestens so gut wie das Internat Möwenfels werden sollte. Er begrüßte die neuen Lehrkräfte und Schülerinnen. Und schließlich überreichte er Frau Greiling einen Schlüssel.
„Ich habe nur die Hälfte verstanden“, flüsterte Dolly. „Was meint er mit ,an die Seite gestellt’? Haben sie angebaut?“
„Ruhe da hinten!“ zischte es aus den vorderen Reihen. Nun trat Frau Greiling vor. Trotz ihrer grauen Haare wirkte ihr Gesicht immer noch jung. Ihre unwahrscheinlich blauen Augen strahlten Güte und Humor aus. Dolly mußte daran denken, wie sie der Direktorin von Möwenfels zum erstenmal gegenübergestanden hatte und auf jene Worte gelauscht hatte, die Frau Greiling Jahr für Jahr allen „Neuen“ in Möwenfels sagte und die
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