Microsklaven
Modelliersystem mit fast unbegrenztem Zukunftspotential.«
»Es klingt, als wäre Oop! ein unwiderstehlicher Spaß - wie das GRATIS VOGELFUTTER in den alten Road-Runner -Cartoons«, sagte Bug.
Susan warf ein: »Womöglich ist Oop! Sea Monkeys. Vielleicht scheint es nur so, als würde es unglaublich viel Spaß machen, aber wenn man erst mal richtig einsteigt, entpuppt es sich als bittere Enttäuschung.«
»Das glaube ich kaum«, sagte Abe. »Michael ist ein Genie. Das wissen wir alle. Und die ERS sehen echt gut aus.«
»Überlegt doch mal«, sagte Karla, »aus Lego kann man alles machen, zwei- und dreidimensional. Dieses Produkt könnte der universelle Standard für dreidimensionales Modellieren werden.«
Wir nickten schweigend.
Und wir redeten nicht viel. Wir schauten einfach nur in die Flammen und dachten nach.
M om hat angerufen. Sie lernt jetzt Schmetterlingsstil - mit 60!
K arla hat heute abend, etwa vor einer Stunde, mal wieder über ihr Lieblingsthema gesprochen: den Körper - bis sie einschlief und ich wie immer hellwach war. »Als ich noch jünger war«, sagte sie, »hatte ich eine Phase, in der ich ein Computer sein wollte. Ich glaube, das ist eine der normalen Phasen, die junge Leute heute durchmachen - wie die Herr-der-Ringe-Phase , die Ayn-Rand-Phase; ich wünschte mir sehnlichst, nicht mehr aus Fleisch und Blut zu bestehen; ich wollte aus ›Präzisions-Technologie‹ bestehen - wie die Leute aus Los Angeles. Damals hörte ich Kraftwerk und ›Cars‹ von Gary Numan.«
(Besorgtes Schweigen.) »Oh ... Zuckt dein Fuß, Dan? Das haben wir gleich ...«
(Hier Fußmassage einfügen.)
»Das alles ist zehn Jahre her. Ich hatte mir seit Jahren nicht mehr gewünscht, ein Computer zu sein.
Dann, als ich im Sommer vor vier Jahren meine Eltern in McMinnville besuchte, erlebte ich diesen Traum per Zufall noch einmal.
Es war ein gleißend heller Sommertag. Ich ging in den Apfelbaumplantagen meiner Familie spazieren, bekam rasende, stechende Kopfschmerzen, und mir wurde übel. Ich ging ins Haus, in den Keller, weil es dort kühl war, und ich übergab mich auf dem Zementfußboden neben der Waschmaschine und dem Trockner. Ich spürte meinen linken Arm nicht mehr, und dann wurde ich ohnmächtig und lag drei Stunden lang auf einem Stapel Wäsche. Dad bekam eine Heidenangst wegen der Lähmung und fuhr mich in die Stadt, wo eine Computertomographie von meinem Gehirn gemacht wurde, um zu checken, ob ich einen Schlaganfall gehabt hatte oder ein Blutgerinnsel im Kopf oder so was.
Sie haben mir alle möglichen Kontrastmittel injiziert, und plötzlich war ich im wahrsten Sinne des Wortes Teil eines Körper-Computer-Systems: Mein radioaktiver Körper wurde wie ein Brennstab in den Computertomographen geschoben. Ich weiß noch, wie ich dachte: So fühlt man sich also als Computern Ich empfand dem Tod gegenüber mehr Neugier als Angst - ich war froh, ein paar Minuten lang kein Mensch mehr zu sein.«
»Hattest du denn ein Blutgerinnsel?« fragte ich. »Nein. Bloß einen Sonnenstich. Und das Gefühl, ein Computer zu sein, hat sich auch schnell wieder verflüchtigt. Aber ich habe daraufhin beschlossen, meinen Körper zu entdecken. Und zwar schnell. Hier«, sagte sie, wobei sie die empfindlichen Innenseiten meiner Unterarme leicht mit den Fingernägeln kratzte, was mich in einen Zustand ekstatischer Verzückung versetzte. »Wie fühlt sich das an?«
»Glrmmpf.«
»Wußte ich's doch. Menschen, die monotone Arbeit an einer Tastatur verrichten, haben oft höchst erogene Unterarme und Schultern. Jetzt kratz du mich!«
Das tat ich, und dann kratzten wir uns gegenseitig die Unterarme, und es kam mir vor, als wären wir beide Darsteller in einem Dokumentarfilm über das Balzverhalten der Tiere im afrikanischen Busch.
»Natürlich«, sagte sie, »werde ich dir das alles beibringen, und du mußt dich dafür bei mir revanchieren.«
»Körper 101 meldet sich zur Stelle.«
»Daniel...«
»Ja?«
»Hat dich vor mir schon mal jemand so richtig im Arm gehalten?«
»Immer stellst du mir diese peinlichen, verqueren Fragen. Wie meinst du das?«
»Genau wie ich gesagt habe. Und!«
»Naja, ähhhh ...« Ich dachte nach. »Nein.«
»Das hab' ich mir gedacht.«
Ich merkte, daß ich Karla darum beneidete, daß sie einfach über alles, was ihr in den Sinn kam, reden konnte. Sie hat keine Angst. Sie lotet ihre Theorien und Neurosen in der Überzeugung aus, daß Selbsterkenntnis zur Lösung der Probleme führt. Je öfter mir das
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