Microsklaven
Ressource.
Shinhatsubai!
FREITAG
W ieder ein Presto-Log-Feuer im Wohnzimmer. Abe hat uns einen Vortrag über seine Lego-Theorie gehalten. Es war wie in der Schule.
»Ist euch je aufgefallen, daß Lego im Leben von Computerleuten eine viel größere Rolle spielt als in dem der Gesamtbevölkerung? Alle Computertechniker beschäftigen sich in ihrer Kindheit sehr viel mit Lego, einer Spielkultur, die hochspezialisiert ist und die Isolation fördert. Lego war der gemeinsame Nenner dieser Kinder.« Niemand widersprach.
»Nun, ich glaube, man kann guten Gewissens behaupten, daß Lego eine effektive dreidimensionale Modellierhilfe und eine eigene Sprache ist. Und wenn ein Kind längere Zeit mit einer Sprache, sei sie visuell oder verbal, konfrontiert wird, verändert das zweifelsohne die Art, wie es seine Umgebung wahrnimmt. Laßt uns das Spielzeug mal eingehender betrachten...« Wir hörten gebannt zu.
»Erstens: Lego ähnelt in ontologischer Hinsicht dem Computer. Das heißt, ein Computer für sich genommen ist, nun ja ... garnichts.
Er wird erst durch eine bestimmte Anwendung zu dem, was er ist. Das gleiche gilt für Lego. Mit einem Excel-Kalkulationsprogramm arbeiten oder einen Rennwagen bauen - dafür haben wir Computer und Lego. Ein PC oder ein Legostein an sich ist leblos und ohne Sinn: ein Türstopper, Müll. Die schlichten modularen Legosteine aus Acrylnitril-Butadien-Styrol-(ABS)-Plastik sind unzerstörbar und stellen nichts anderes dar als Legosteine.«
Wir lassen die Snacks herumgehen. »Soylent Toasts«: Monterey-Jack-Käse und Jalapenos, in der Mikrowelle auf Triscuits gebacken.
»Zweitens: Lego ist ›binär‹ - eine Ja/Nein-Struktur, das heißt, die kleinen Nupsis auf jedem Legostein sind entweder mit einer anderen Lego-Einheit verbunden oder nicht. Analoge Beziehungen gibt es nicht.«
»Monogam?« fragt Susan.
»Kann sein. Eine interessante Analogie. Drittens: Lego ist der Vorbote einer Zukunft voller gepixelter Ideen. Es ist digital. Lego macht deshalb so viel Spaß, weil es das Organische aufs Modulare reduziert: ein Zebra aus kleinen Würfeln, Häuser am Cape Cod, mit der Hard-Copy -Fernsehkamera digitalisiert, die das Gesicht des Opfers in kleine Farbwürfel zerpixelt.«
K arla und ich haben besprochen, was wir tun sollen. Uns bleibt nicht viel Zeit, uns zu entscheiden; Michael muß unsere Antwort bis Ende der Woche haben. Er bietet mir 24.000 Jahresgehalt plus 1,3% KAPITALBETEILIGUNG. Bei Microsoft bekomme ich 26.000 plus 150 Aktien, die nach 4,5 Jahren ausgeschüttet werden. Außerdem habe ich bei Michael die Möglichkeit, als Kodierer zu arbeiten und auf der Karriereleiter dichter bei Karla zu sein und, was das Allerbeste ist, wieder zur gleichen Produktgruppe wie Karla zu gehören.
SAMSTAG
W ieder ein verregneter Abend, der nach einem Kaminfeuer verlangte. Die meisten von uns haben den Tag damit verbracht, ihre Hirne mit den neuen Karriereoptionsdaten zu füttern.
Wir hatten kein Feuerholz mehr und mußten ein richtiges Feuer aus Brennmaterial machen, das wir überall im Haus zusammengesucht hatten: einen Brawny-Papierhandtuchkarton voller Reklame-Wurfsendungen und Möbelstücke, die selbst für den Sperrmüll zu häßlich waren. Und dann fand Bug in der Garage eine Packung Feuerholz, deren Aufkleber »realistisch anmutende Flammen und Farben« versprach. »Auf Verpackungen kann man draufschreiben, was man will - die Leute glauben alles. Meine Güte - wir sind schon eine kranke Spezies!«
D as Feuer war riesengroß und verbreitete eine sakrale Stimmung. Das gab den Anstoß zu einem Gespräch darüber, welche pyromanischen Neigungen wir in unserer Jugend hatten. Überraschenderweise fühlten wir uns plötzlich alle wie Verbündete. Wir redeten über Rohrbomben, M-80s, Flammenwerfer aus Lysol-Spraydosen, aus dem Chemielabor gemopste Natriumbrocken, durch Verschmelzung von Kaliumnitrat und Zucker selbstgebastelte Rauchbomben, Böllerschinken, mit Benzin gefüllte MJB-Dosen, in die man brennende Streichholzbriefchen warf, und mit Joy-Geschirrspülmittel vermischtes Wasser, in das Methan geleitet wurde (»das blubbernde Höllenfeuer«).
F rage: Gibt es im Net so was wie alt.pyrol Bestimmt. Dort gibt es schließlich für jeden etwas.
S usan ist ausgerechnet in Triest, Italien, auf Informationen zum Thema Vorwahlnummern gestoßen - im Net. Demnach wird Nordamerika bis zu 640 neue Ortsnetzkennzeichen bekommen, weil in Zukunft die mittlere Ziffer auch eine andere als Null oder Eins
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