Microsklaven
»Europäisches« (Karla: »Amerikaner können nur alle zwei Jahre ein neues, extrem seltsames europäisches Wort verdauen, so viel steht fest. Der Beweis: Nadia Comaneci, Häagen-Dazs und Fahrvergnügen. Wir könnten zum verrückten europäischen Wort des Jahres werden.« Alle stimmen im Prinzip zu, aber keiner von uns beherrscht irgendwelche anderen Sprachen außer den Computersprachen - abgesehen von Anatole, doch der ist so eine Art wunderlicher Nachbar aus dem ersten Stock, wie in einer Sitcom, und gehört nicht zu unserem Team; damit war die Idee gestorben.)
»Cher« oder »Sting« (Ethan war für etwas Einsilbiges. Als wir ihn fragten, welche Silbe es denn sein sollte, mußte er passen. »Ähhh ...« zählt nicht.)
»:•)« (Das hat Mom geschrieben. Sie sagte: »Das sind Emoticons - darüber hab' ich was in USA Today gelesen. Fröhliche Gesichter, die auf der Seite liegen.« Unisono brüllten wir: »Wir hassen diese Dinger!« Alle außer Bug, der sie liebt, wie sich herausstellte. Und dann gestand Susan, daß auch ihr ein paar davon gefallen. Und dann Todd. Und dann Karla. Ich glaube, Emoticons sind wie Baywatch - alle sagen, daß sie sich das niemals ansehen, aber in Wirklichkeit tun sie's doch. Mom, die Bibliothekarin, sagte: »Überlegt doch bloß mal, wie so was die Bibliothekare durcheinanderbringen würde! Ich meine, wo sollen sie das einordnen? Diakritische Zeichen sind extrem verwirrend.« Ich war erfreut, diese anarchistische Ader bei ihr zu entdecken. »Wir könnten das Emoticon ;•) ›ZWINKERN‹ nennen.«
Ethan fragte, welches Zeichen auf der Tastatur die »Nase« sei, und Michael antwortete schnell: »Das ist ein Dingbats-Zeichen - Weiche-8 auf einer Mac-Tastatur mit Word 5.1. Auf dem PC nimmt man das Sternchen.«)
»Interiority« (Der Gewinner - mein Vorschlag. Preis: eine Nerf-Gatling-Pistole.) Jetzt ist Oop! also ein Interiority-Produkt.
D as Neueste über unsere Wohnverhältnisse: Bug und Susan wohnen jetzt in San Francisco, 30 Meilen nördlich. Zur Arbeit fahren sie die 280 entgegen dem Berufsverkehr, das ist ganz okay.
Susan wohnt in einer prächtigen 3-Zimmer-Wohnung gleich neben Bugs schmuddeligem Junggesellen-Einzimmer-Apartment. Wir reagierten ziemlich schadenfroh, als wir hörten, daß sie Tür an Tür wohnen würden, aber Susan sagte, wir sollten aufhören zu grinsen wie Dungeonmaster. »Glaubt nicht, daß ich nicht weiß, worauf ich mich da einlasse. Ich habe Bug gewarnt: Wenn ich nur eins seiner fiesen Dinty-Moore-Gerichte durch die Wand rieche, lasse ich ihn rauswerfen.« Susan will sich einfach nicht eingestehen, daß sie nicht allein sein mag. Sie spielt sich immer ganz schön auf und tut so, als sei sie extrem tough, aber in Wahrheit hat sie bloß eine große Klappe. Michael wohnt in dem anderen freien Zimmer, ein Stück von Karla und mir den Flur runter. Aber er hat angekündigt, daß er zu seiner persönlichen 1-800-Nummer zieht. Das ist der Ort, an dem er eigentlich lebt - 1-800-Land. Todd hat sich ein Zimmer in einem Geek-Haus (Stanford-Studenten) gemietet, in der Nähe der 101, Ausfahrt Shoreline, um dichter beim Gold's Gym zu sein. Er wohnt praktisch im Fitneßstudio. Da kommt man schließlich leicht an Gratis-Sex. Abe ist immer noch in Redmond. Wir vermissen ihn, aber andererseits kommunizieren wir täglich via E-Mail mit ihm. Wahrscheinlich mehr als früher, als wir noch dort waren.
I ch habe heute nachmittag zu laut gegähnt, und Susan fragte:
»Schläfst du denn nie , Dan?«
Karla hörte das und sagte: »Sie hat recht, Dan - du hast schon wieder Schlafstörungen. Also, was ist los?« Ich sagte die Wahrheit - ich träume schlecht. Keine Schlaflosigkeit, sondern Alpträume; das ist etwas anderes. Ich sagte, das sei nur eine Phase, die wahrscheinlich wieder vorübergehe. Außerdem erzählte ich ihnen, daß ich im Moment versuche, gar nicht zu träumen, wenn ich schlafen gehe - »als vorbeugende Maßnahme«.
»Du meinst, du kannst deine Träume abstellen, einfach so?« fragte Susan.
Ich erwiderte: »Halbwegs. Ein Alptraum zählt nicht als Schlaf, das heißt, ich komme nicht richtig zur Ruhe. Ich wache nur noch müder auf.«
Michael bekam das mit und sagte: »Aber das ist doch total /«effizient!«
Er erklärte mir, sein wahres Leben und sein Traumleben würden sich immer ähnlicher. »Ich muß mir ein neues Wort dafür ausdenken, was sich nachts in meinem Kopf abspielt. Die Grenze zwischen Wachen und Schlafen ist mittlerweile kaum noch vorhanden. Es ist eher
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