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Microsoft Word - Daniel Kehlmann Die Vermessung der Welt

Microsoft Word - Daniel Kehlmann Die Vermessung der Welt

Titel: Microsoft Word - Daniel Kehlmann Die Vermessung der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dfg
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Humboldt wurde ganz verlegen, als die Haarspitzen der Schwägerin beim Abschiedskuß seine Wange streiften. Er fragte, ob man sich wohl wiedersehen werde.
Gewiß, sagte der ältere Bruder. In dieser oder der anderen Welt. Im Fleische oder im Licht.
Humboldt und Bonpland bestiegen die Pferde und ritten los. Mit Verblüffung sah Bonpland, daß sein Gefährte es fertigbrachte, sich kein einziges Mal umzudrehen, bis Bruder und Schwägerin außer Sichtweite waren.
Auf dem Weg nach Spanien vermaß Humboldt jeden Hügel. Er erklomm jeden Berg. Er klopfte Steinproben von jeder Felswand. Mit seiner Sauerstoffmaske erkundete er jede Höhle bis in die hinterste Kammer. Einheimische, die beobachteten, wie er die Sonne durch das Okular des Sextanten fixierte, hielten sie für heidnische Anbeter des Gestirns und bewarfen sie mit Steinen, so daß sie auf die Pferde springen und im Galopp fliehen mußten. Die ersten zwei Male entkamen sie unverletzt, vom dritten trug Bonpland eine schlimme Platzwunde davon.
Er begann sich zu wundern. Ob das denn nötig sei, fragte er, man sei schließlich auf der Durchreise, man wolle doch nur nach Madrid und wäre viel schneller dort, wenn man einfach nur hinritte, Herrgott noch mal.
Humboldt überlegte. Nein, sagte er dann, er bedauere. Ein Hügel, von dem man nicht wisse, wie hoch er sei, beleidige die Vernunft und mache ihn unruhig. Ohne stetig die eigene Position zu bestimmen, könne ein Mensch sich nicht fortbewegen. Ein Rätsel, wie klein auch immer, lasse man nicht am Wegesrand.
Von jetzt an reisten sie nachts, damit er unbehelligt Messungen vornehmen konnte. Man müsse die Plankoordinaten genauer bestimmen, als es bisher getan worden sei. Die Karten von Spanien seien nicht exakt. Man wolle ja wissen, wohin man reite.
Aber das wisse man doch, rief Bonpland. Hier sei die Landstraße, und sie führe nach Madrid. Mehr brauche man nicht!
Um die Straße gehe es nicht, antwortete Humboldt. Es gehe ums Prinzip.
In der Nähe der Hauptstadt nahm das Tageslicht eine silbrige Tönung an. Bald gab es kaum noch Bäume. Die Mitte Spaniens sei kein Becken, erklärte Humboldt. Die Geographen seien wieder einmal im Unrecht. Vielmehr sei sie ein Hochplateau und habe einst als Insel aus einem vorzeitlichen Meer geragt.
Selbstverständlich, sagte Bonpland und nahm einen Schluck aus seiner Flasche. Als Insel.
In Madrid regierte der Minister Manuel de Urquijo. Jeder wußte, daß er mit der Königin schlief. Der König war machtlos, seine Kinder verachteten ihn, das Land fand ihn komisch. An Urquijo führte kein Weg vorbei, denn die Kolonien waren für Ausländer gesperrt, und eine Ausnahme hatte es noch nie gegeben. Humboldt suchte den preußischen, den belgischen, den niederländischen und den französischen Botschafter auf. Nachts lernte er Spanisch.
Bonpland fragte, ob er denn niemals schlafe.
Wenn er es vermeiden könne, antwortete Humboldt, nicht.
Nach einem Monat hatte er es geschafft, eine Audienz bei Urquijo im Palast von Aranjuez zu bekommen. Der Minister war fettleibig, nervös und sorgenvoll. Aufgrund eines Mißverständnisses und vielleicht, weil er einmal von Paracelsus gehört hatte, hielt er Humboldt für einen deutschen Arzt und fragte nach einem Potenzmittel.
Was bitte?
Der Minister führte ihn in einen dunklen Winkel des steinernen Saales, legte ihm die Hand auf die Schulter und dämpfte seine Stimme. Es gehe nicht ums Vergnügen. Seine Macht über das Land rühre von seiner Macht über die Königin her. Diese sei keine junge Frau mehr, er selbst kein junger Mann.
Humboldt sah blinzelnd aus dem Fenster. Im weißen Mittagslicht breitete sich in unwirklicher Symmetrie die Parkanlage aus. Über einem maurischen Brunnen stand ein träge funkelnder Wasserstrahl.
Viel bleibe zu tun, sagte Urquijo. Die Inquisition sei noch mächtig, zur Abschaffung der Sklaverei sei es ein weiter Weg. Einflüsterer gebe es überall. Er wisse nicht, wie lange er noch standhalten könne. Im wahrsten Sinn gesprochen. Ob er sich klar genug ausdrücke?
Langsam und mit geballten Fäusten ging Humboldt zu Urquijos Schreibtisch, tunkte die Feder ein und schrieb ein Rezept. Chinarinde aus dem Amazonastiefland, Mohnextrakt aus dem mittleren Afrika, sibirisches Savannenmoos und eine in die Legende entrückte Blume aus Marco Polos Reisebericht. Von alldem ein starker Absud, davon der dritte Aufguß. Langsam trinken, jeden zweiten Tag. Es würde Jahre dauern, alle Zutaten zu sammeln. Zögernd reichte er Urquijo das Blatt.
Nie zuvor

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