Microsoft Word - Green, Simon R.-Todtsteltzers Ende
Worte mit Bedacht. Es war von Bedeutung, dass er es richtig machte. Das Testament Owen
Todtsteltzers.
Während sich Owen mit seiner historischen Aufzeichnung beschäftigte, entfernte Hazel alle Spuren
ihrer und seiner Anwesenheit aus dem Irrgarten der
Steinkorridore. Sie schrubbte alles Böse und allen
Wahnsinn von diesem Ort, der kein Ort war. Trotzdem konnte sie nicht umhin, sich zu fragen …
»Owen, als Schrecken habe ich alles erschaffen, was
man hier findet. Es beruht auf den schlimmsten Erinnerungen meines Lebens, als ich in die Fänge der
Blutläufer geriet und sie mich an einen solchen Ort
brachten. Habe ich jetzt diese Korridore geschaffen,
weil sie schon irgendwo existierten, oder werden die
Blutläufer eines Tages diese Stelle finden und hier
einziehen?«
»Ich weiß, was du meinst«, antwortete Owen.
»Die Zeitreise spielt den Regeln von Ursache und
Wirkung übel mit. Ich hatte die gleichen Gedanken,
als ich das Labyrinth des Wahnsinns schuf.«
»Jetzt mal langsam und ein paar Riesenschritte zurück! Du hast das Labyrinth geschaffen? Kein Wunder, dass es nie Sinn zu ergeben schien!«
Owen entschied, dass er besser dran war, wenn er
darauf nicht reagierte. Er sichtete noch einmal seine
Aufzeichnungen, achtete darauf, dass er nichts Wichtiges ausgelassen hatte, und rief dann das gestaltwandelnde Fremdwesen herbei. Es erschien in einer
Wolke aus Glitzerstaub und zeigte sich in Gestalt des
Aussätzigen Vaughn. Owen bedachte die kleine
graue Gestalt mit einem strengen Blick.
»Warum?«
»Darum.«
»In Ordnung. Aus welcher Epoche stammst du?«
»Wer kann das sagen? Kontinuität ist etwas für geringere Geister. Was wünscht Ihr? Ich bin derzeit sehr
damit beschäftigt, über die Menschheit zu wachen und
in den Gedanken der Leute herumzumurksen. Also
sprecht! Oder ich mache Euch zu einem Linkshänder.«
»Ich weiß einfach, dass es mich noch verfolgen
wird, Euch geschaffen zu haben«, sagte Owen. »Habt
Ihr Lewis schon den Todtsteltzerring gegeben?«
»Alle Zeiten sind für mich gleich. Ein armseliges
Gedächtnis wäre es, das nicht in beide Richtungen
funktioniert! Habe Lewis und den Thronsaal nicht
vergessen. Immer vorausgesetzt, dass ich mich erinnere, wo ich den Ring aufbewahre. Hatte ihn erst gestern noch ...«
»Na ja, wenn Ihr dann hingeht, tut es in Vaughns
Gestalt. Das müsste für eine ordentliche Lachnummer reichen. Jetzt nehmt diese Schriftrolle und bewahrt sie sicher auf. Übergebt sie niemand anderem
als Lewis, und tut dies zu genau dem Zeitpunkt und
an der Stelle, die ich in dem untergebracht habe, was
als Euer Verstand durchgeht. Oh, und noch eins: sollte Euch jemals irgendjemand fragen, wer das Labyrinth des Wahnsinns angelegt hat, so lügt! Und zwar
überzeugend! Die Menschheit wäre für so viel Wahrheit nicht bereit.«
Er entließ den Gestaltwandler mit einem Wink und
drehte sich zu Hazel um.
»Das war es. Alles erledigt. Keine unerledigten
Aufgaben mehr.«
»Es wird Zeit zu gehen, nicht wahr?«, fragte sie.
»Wir haben es lange genug aufgeschoben. Wir müssen ein neues Leben beginnen.«
»Ja«, sagte Owen. »Wir können inzwischen alles
tun und alles sein. Warum sollten wir da bloß Menschen sein? Jedwede Gestalt steht uns offen, alles,
was uns nur einfällt, begrenzt nur durch unsere Vorstellungskraft, unseren Ehrgeiz und unser Gewissen.
Aber wer immer und was immer wir sein werden und
wohin immer wir auch gehen, wir trennen uns niemals wieder. Ich habe es dir ja versprochen ... wir
bleiben für immer zusammen.«
»Für immer und ewig«, bekräftigte Hazel.
Und so verwandelten sie sich in große, strahlende
Wesen und verließen den Ort, der kein Ort war. Sie
beseitigten das Tor, ließen jedoch die Steinkorridore
zurück, damit die Blutläufer sie eines Tages finden
konnten. Gewaltige strahlende Schwingen entwuchsen schimmernden Schultern, als Hazel und Owen
wieder in Raum und Zeit eintauchten und dann ihre
lange Reise nach irgendwohin antraten. Wobei sie
mit mächtigen Schmetterlingsflügeln ihre Bahn zogen, die heller leuchteten als die Sterne.
Die abschließenden Worte im Testament Owen
Todtsteltzers:
Letzte Nacht träumte ich, ich wäre immer noch ein
Mensch, aber jetzt bin ich zu etwas Größerem erwacht. Lebt wohl, meine Freunde, Lebt wohl!
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