Midkemia Saga 01 - Der Lehrling des Magiers
vergessen, das Fleisch hochzuhängen.«
Pug grinste. »Na ja, jedenfalls sind die Hunde des Herzogs glücklich.« Er kicherte, dann prustete er los. »Sie ist wütend, was?«
Tomas fiel in das Lachen seines Freundes ein. »Wahnsinnig. Dabei haben die Hunde bloß ein bißchen gefressen ehe sie sie verscheucht hat. Außerdem ist sie vor allem wütend auf Vater. Sie behauptet, die Auswahl wäre für alle Handwerksmeister nur ein Vorwand, um Pfeife rauchend herumzusitzen, Bier zu trinken und sich den ganzen lieben langen Tag lang Geschichten zu erzählen. Sie sagt, die wüßten schon jetzt ganz genau, wer welchen Burschen auswählen wird.« Sein Lächeln verging. „Es gefällt ihr wirklich nicht, wenn er nicht in der Küche ist, um alles dort zu überwachen. Ich glaube, das weiß sie, und deshalb hat sie uns heute morgen aus der Küche gejagt, damit sie ihre Laune nicht an uns ausläßt. Oder an dir«, fügte er mit einem rätselhaften Lächeln hinzu. »Ich könnte schwören, du bist ihr Liebling.«
Wieder lachte Pug. »Nun, ich mache weniger Ärger.«
Tomas stieß ihn spielerisch in die Rippen. »Du meinst wohl, du läßt dich nicht so oft erwischen.«
Pug zog seine Schleuder aus dem Hemd. »Wenn wir mit ein paar Rebhühnern oder Wachteln zurückkommen, findet sie ihre gute Laune vielleicht wieder.«
Tomas lächelte. »Möglich.« Er zog seine eigene Schleuder hervor. Beide Jungen konnten hervorragend damit umgehen. Tomas war der unangetastete Meister unter den Knaben, aber Pug stand ihm nur um weniges nach. Es war unwahrscheinlich, daß einer der beiden einen Vogel im Flug treffen würde.
Sollten sie jedoch auf einen stoßen, der sich gerade ausruhte, so bestand die Möglichkeit, daß sie ihn treffen würden. Außerdem hätten sie so etwas zu tun und würden die Auswahl vielleicht für einige Zeit vergessen.
Sie spielten jetzt Jäger und staksten übertrieben leise den Pfad entlang. Tomas ging voraus, als sie den Weg verließen und auf den Tümpel zugingen, der in nicht allzu weiter Ferne lag. Es war unwahrscheinlich, daß sie an diesem Morgen Wild erspähen würden. Aber wenn überhaupt, dann am ehesten in er Nähe des Tümpels.
Die Wälder im Nordosten der Stadt Crydee waren weniger furchterregend als der große Wald im Süden. Viele Jahre lang hatte man hier Bäume gefällt, deren Holz man verarbeitete, und jetzt wirkte der Wald luftiger und heller, Die Knaben aus der Burg hatten oft im Laufe der Jahre hier gespielt. Mit nur wenig Einbildungskraft verwandelten sich die Wälder in wundersame Stätten der herrlichsten Abenteuer. Einige der größten, bekannten Taten hatten hier stattgefunden. Waghalsige Fluchten, todesmutige Questen, mächtige Kämpfe waren von den stummen Bäumen beobachtet worden, als die Knaben ihren jungenhaften Träumen Gestalt verliehen, Träumen von ihrer Zukunft als Männer. Bösartige Kreaturen, mächtige Monster und Gesetzlose - all sie waren bekämpft und vernichtet worden. Oft ging es einher mit dem Tod eines großen Helden, der seinen trauernden Kameraden noch ein paar angemessene, letzte Worte mit auf den Weg gab. Und all das schafften sie so schnell, daß sie immer noch rechtzeitig zum Essen wieder in der Burg waren.
Tomas erreichte eine kleine Anhöhe, von der aus man den Tümpel überblicken konnte. Sie wurde durch junge Buchensetzlinge abgeschirmt. Er schob vorsichtig einen Zweig beiseite und blieb ehrfürchtig stehen. »Schau nur, Pug«, flüsterte er. Am Ufer des Tümpels stand ein Hirsch, den Kopf hoch erhoben. Es war ein altes Tier. Das Fell um die Nüstern war ganz weiß, und seinen Kopf krönte ein prächtiges Geweih.
Pug zählte schnell. »Er hat vierzehn Enden.« Tomas nickte zustimmend. »Das muß der älteste Bock im ganzen Wald sein.« Der Hirsch wandte seine Aufmerksamkeit den Jungen zu; ein Ohr zuckle nervös. Sie blieben ganz still, denn sie wollten eine so schöne Kreatur nicht erschrecken oder gar vertreiben.
Eine lange, stumme Minute lang musterte der Hirsch mit geblähten Nüstern die Anhöhe.
Tomas packte Pug an der Schulter und neigte den Kopf zu einer Seite. Pug folgte Tomas’ Blick und entdeckte eine Gestalt, die schweigend auf die Lichtung trat. Es handelte sich um einen großen Mann in waldgrüner Lederkleidung. Über seinem Rücken hing ein Langbogen und an seinem Gürtel ein Jagdmesser. Die Kapuze seines grünen Umhangs war zurückgeworfen, und mit festen, gleichmäßigen Schritten ging er auf das Tier zu. Das ist Martin«, bemerkte
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