Midkemia Saga 01 - Der Lehrling des Magiers
vor dem Herzog und seinem Hofstaat sehen lassen konnte.
Magya und ihr Mann, Megar der Koch, waren fast so etwas wie Eltern für den kleinen Waisenjungen. Sie pflegten seine Krankheiten, sorgten dafür, daß er zu essen bekam, und verteilten Ohrfeigen, wenn er sie verdiente. Außerdem liebten sie ihn, als wäre er Tomas’ Bruder.
Pug schaute sich um. Die anderen Knaben trugen alle ihre besten Kleider, denn dies war einer der wichtigsten Tage in ihrem jungen Leben. Ein jeder würde vor den versammelten Handwerksmeistern und dem Hofstaat des Herzogs stehen, und jeder würde im Hinblick auf seine Eignung als Lehrling gemustert werden. Es war ein Ritual, dessen Ursprünge weit in die Vergangenheit zurückreichten, denn die Wahl war bereits getroffen worden.
Die Handwerker und die Angestellten des Herzogs hatten viele Stunden damit verbracht, über die Verdienste eines jeden Jungen zu sprechen, und sie kannten alle schon den Knaben, den sie aufrufen würden.
Es hatte sich im Laufe der Jahre als sehr vernünftig erwiesen, die Jungen im Alter zwischen acht und dreizehn Jahren in allen Handwerkskünsten arbeiten zu lassen. So konnte man jeweils den am besten geeigneten Jungen dann in einer Kunst unterweisen. Außerdem gab es dadurch eine Unmenge halbgelernter Handwerker für die anderen Berufe, sollte es sich einmal als notwendig erweisen. Das Schlechte an dem System war, daß es immer wieder ein paar Knaben gab, für die keine Lehrstelle ausgewählt wurde. Für diejenigen, die Zweifel hatten, war es eine sorgenvolle Zeit.
Pug schlurfte geistesabwesend mit seinen bloßen Füßen durch den Staub. Im Gegensatz zu Tomas, der scheinbar alles gut machte, was er anfing, bemühte sich Pug oft zu sehr und verdarb damit alles. Er schaute sich um und stellte fest, daß auch ein paar der anderen Jungs Zeichen von Spannung zeigten.
Einige machten rauhe Witze und taten so, als kümmerte es sie überhaupt nicht, ob sie gewählt würden oder nicht. Andere standen wie Pug. in Gedanken versunken, und bemühten sich, nicht darüber zu grübeln was sie tun würden,.wenn sie nicht ausgewählt werden würden.
Sollte er nicht ausgewählt werden, wäre Pug - wie die anderen auch - frei, Crydee zu verlassen und zu versuchen, in einer anderen Stadt Arbeit zu finden. Wenn er blieb, mußte er das Land des Herzogs als Freisasse bewirtschaften, oder er konnte eines der Fischerboote übernehmen. Beide Aussichten waren gleichermaßen reizlos, aber er konnte sich vorstellen, Crydee den Rücken zu kehren.
Pug dachte an das, was Megar ihm am Abend zuvor erzählt hatte. Der alte Koch hatte ihm geraten, sich nicht zu viele Sorgen wegen der Auswahl zu machen. Pug fragte sich, ob Megar seine eigene Auswahl schon so weit vergessen hatte, daß er sich nicht mehr daran erinnern konnte, daß die nicht gewählten Knaben vor der ganzen Versammlung von Handwerksmeistern, Haushältern und neu erwählten Lehrlingen stehen mußten, ihren Blicken ausgesetzt, bis auch der letzte Name aufgerufen worden war und sie in Schande entlassen wurden.
Pug biß sich auf die Unterlippe und versuchte, seine Nervosität zu verbergen.
Er würde nicht von den Höhen von Seglers Gram springen, wenn er nicht gewählt werden würde, wie dies in der Vergangenheit schon einige getan hatten. Aber er konnte den Gedanken auch nicht ertragen, denjenigen gegenüberzustehen, . die gewählt worden waren.
Tomas, der neben seinem kleineren Freund stand, schenkte Pug ein Lächeln.
Er wußte, daß Pug Angst hatte. Er konnte aber nicht richtig Mitleid mit ihm haben, denn seine eigene Erregung nahm immer weiter zu. Sein Vater hatte zugegeben, daß er der erste sein würde, den Schwertmeister Fannon aufrufen wurde. Darüber hinaus hatte der Schwertmeister im Vertrauen verraten, daß Tomas vielleicht in die persönliche Leibwache des Herzogs aufgenommen werden würde, wenn er sich bei seiner Ausbildung gut anstellen würde. Das wäre eine große Ehre, die Thomas’ Möglichkeiten zu einer guten weiteren Laufbahn stark beeinflussen würde. Ja, vielleicht würde ihm das sogar in fünfzehn oder zwanzig Jahren den Rang eines Offiziers eintragen.
Mit einem Ellbogen stieß er Pug in die Rippen, denn der Herold des Herzogs war auf den Balkon hinaus getreten, von dem aus man den Hof überblicken konnte. Der Herold gab ein Zeichen an die Wache. Der Mann öffnete die kleine Tür in dem großen Tor, und die Handwerksmeister traten ein. Sie überquerten den Hof, bis sie zu Füßen der breiten Treppe standen.
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