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Midleifcrisis

Midleifcrisis

Titel: Midleifcrisis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Lasse Andersson
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weitere Regale an die Wand zu dübeln und mir so den spielfreien Samstag zu vertreiben.
    Nachmittags ruft Elke an, fröhlich wie immer, sie wird mit Nadine noch was trinken gehen. Also ziehe auch ich los, mit Robert, meinem Basketballkumpel, denn kurz vor dem Karriereende darf man auch während der Saison ganz offiziell mal ein Bierchen trinken, zumal wir es auch dieses Jahr nicht mehr in die Play-offs schaffen werden.
    Ich weiß noch nicht, dass das Leben ein Arschloch ist und dass man auf die kleinen Zeichen achten muss, damit es einen nicht über den Tisch legt und hinterrücks fickt. Aber in der Altstadt sehe ich Nadine, und als sie mich erblickt, dreht sie sich um und tut so, als hätte sie mich nicht bemerkt. »Hey, Nadine«, rufe ich fröhlich, »wo ist denn Elke? Habt ihr ein schönes Kleid gefunden?«
    In Nadines aufgerissenen Augen sehe ich etwas, was ich erst einen Tag später als Entsetzen und Mitleid identifiziere. »Die hatte Kopfweh, die ist schon nach Hause.« Um 22 Uhr lasse ich Robert allein weiterziehen und fahre heim, vielleicht werden wir heute mal wieder kuscheln und uns lieben. Doch da ist keine Elke, sie kommt erst um ein Uhr, und als sie mich im Dunkeln in unserem Sessel sitzen sieht, fährt sie zusammen. »Ist ein bisschen später geworden, Liebling, aber Nadine und ich haben noch Katja und Miriam getroffen, und es war so lustig.«
    Ich schweige. Weil ich Angst habe, die eine Frage zu stellen, die ich zu stellen habe.
    »Ist was?«, fragt Elke, und ich beuge mich vor und rieche an ihren Sachen, und die duften nach frischer Dusche und Niveacreme.
    »Und wo wart ihr?«
    »Hier und da, einmal quer durch die Altstadt, die anderen sind alle noch unterwegs.«
    »Du riechst gar nicht nach Rauch«, sage ich, weil ich mich die eine und entscheidende Frage immer noch nicht traue. Ich kenne jede Kneipe in Köln, das Rauchverbot der späteren Jahre ist noch endlos entfernt, und wer aus so einem Schuppen kommt, der stinkt, als ob er gerade in einen Großeinsatz der Feuerwehr geraten wäre.
    »Wir haben meistens am Fenster gesessen!« Elke ist ganz offensichtlich beunruhigt.
    »Nadine und du, ihr habt also am Fenster gesessen«, sage ich, doch ich sage es mehr zu mir selbst. Dann nehme ich den Kopf hoch. »Nadine habe ich getroffen, aber sie meinte, du hättest Kopfweh und wärest gegangen. Das war gegen zehn.«
    Elke schweigt, es wird eine lange, betäubende Stille. Ich schweige auch, weil ich Bescheid weiß, aber keine Ahnung habe, was das für mein Leben bedeuten wird. Dann gehe ich in die Küche, um mir einen Wodka zu holen.
    »Na dann«, sage ich nach meiner Rückkehr ins Wohnzimmer. »Es scheint, du solltest mir was erklären.«
    Elke sieht elend aus.
    »Ich hab’s dir schon lange sagen wollen.«
    »Wer?«
    »Kennst du nicht.«
    »Wie lange?«
    »Schon länger.«
    »Wie viel länger?«
    Elke nimmt die Schultern zurück. Sie hat eine bewundernswerte Art, in schweren Lagen Haltung zu zeigen.
    »Seit der Weihnachtsfeier«, sagt sie, und ich raste aus, was merkwürdigerweise ganz langsam passiert: Ich merke, wie sich Wut in meinem Bauch bildet, ich kann ihren Weg nach oben verfolgen, wie sie sich im Hals zu einem Kloß staut, bevor ich an den Seiten das Blut pochen fühle. Sekunden später kommt das Adrenalin vor meinen Augen an und macht das Bild von Elke unscharf, ehe sich die Wut in einem wilden Brüllen Luft macht, das erst nach ein paar Sekunden anfängt, sich in menschliche Laute zu verwandeln.
    »Seit der Weihnachtsfeier?«, brülle ich. »Bist du bescheuert? Und drei Monate später heiratest du mich dann?«
    Elke verstummt wieder, doch sie wirkt nicht eingeschüchtert, und das ist der Moment, in dem ich für alle Zeit lernen werde, ihre kühle, beherrschte Stille zu fürchten.
    »Der Scheißtyp mit der Rose? Der blonde Bubi vorm Standesamt?«
    Ich schreie immer lauter und spüre den überwältigenden Impuls, sie zu schlagen, immer wieder, sodass ihr Gesicht unter meinen Schlägen hin- und herfliegen möge, aber ich werfe nur mein Glas an die Wand, und selbst diese Geste meines rasenden Zorns misslingt, denn es prallt in zwei scharfkantigen Stücken ab und trifft mich an der Stirn, wo es mir einen tiefen Schnitt zufügt. Der Schmerz holt mich in die Realität zurück, und in der sehe ich Elke vor mir sitzen und mein tropfendes Blut betrachten. »Nicht«, sagt Elke, »bitte nicht, die Tapete, und pass auf den Teppich auf.«
    »Ich scheiß auf deine Tapete, ich scheiß auf deinen Teppich«,

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