Midleifcrisis
Stil draufzahlen, aber dann der verdammt noch mal größte Internetvermarkter Deutschlands sein, und wenn die Sache funzt, gehen wir an die Börse und machen Millionen.
Falls die Sache floppt, bin ich allerdings meinen Job los.
Tja, und irgendwie gibt’s ja nie im Leben einen Wurm ohne Haken. Meine Dreiviertelmillion ist dann auch futsch.
Den Ausschlag für das Projekt hat gegeben, dass ich Nottbohm angeboten habe, alles Geld, das ich besitze, einzuschießen, unter der Voraussetzung, dass sie mich in der neuen Tochtergesellschaft zum Minderheitsgesellschafter und Geschäftsführer machen. Ich habe mich mit wahrhaft bescheidenen zehn Prozent am Erlös der ersten zehn Jahre zufriedengegeben, aber schon jetzt träume ich von einem Börsengang und vielen runden schwarzen Millionen, die mir dieser auf mein Konto spülen wird.
Elke ist so sauer wie noch nie.
»Du hast ihnen WAS angeboten?«, schreit sie mich an.
Ich schaue sie lange an, dann sage ich leise: »In fünf Jahren wohnst du an der Elbchaussee auf der feinen Seite. In zehn Jahren braucht keiner von uns jemals wieder zu arbeiten. Und wenn du mal alt und grau bist, kannst du dir so viele Rosenbubis kaufen, wie du willst, die halten schließlich auch nicht ewig.«
Es ist mein kühl und berechnend eingesetztes Killerargument. Elke gehört die Hälfte von meinem Geld – wenn sie sich querstellt, muss ich Nottbohm beichten, dass ich hochgestapelt habe, und damit wäre mein Projekt im Eimer.
Elke reißt erschrocken die Augen auf und schweigt.
Ich mixe mir einen Wodka. »Ich warne dich, und zwar ganz offiziell. Wenn du mir bei dem Projekt in die Quere kommst, lasse ich mich scheiden und du kannst zu deinem Rosenbubi gehen und pro Abend 100 Tickets abreißen. Außerdem sind die Verträge eh schon unterschrieben. Und komm nicht auf falsche Gedanken, die Aktiendepots hab ich letzte Woche leer gemacht, das Geld liegt bei mir auf einem Konto, für das du keine Vollmacht hast.«
Elke ist perplex, so kennt sie mich nicht.
Elke geht packen.
Sie wird mit den Kindern zu ihren Eltern fahren. Nächste Woche beginnen ohnehin die Sommerferien und sie braucht Zeit zum Nachdenken.
Mir ist das nur recht.
In meiner Jackentasche steckt eine kleine goldene Raupe, die vergnügt auf einem Zweig sitzt. Hat ein Goldschmied nach meiner Zeichnung angefertigt, am oberen Ende befindet sich eine Öse für eine Halskette. Und sobald ich den Mut gefunden habe, werde ich sie möglicherweise sogar Laura schenken.
Laura
Wir hatten nur ein Jahr.
Wir hatten ein eigenes Universum.
Ich habe es zerstört.
Und noch heute weiß ich nicht, wie ich es hätte bewahren können.
Laura und ich, das war Liebe in ihrer absolutesten Form.
Laura war Glück.
Laura war Verzweiflung.
Heute ist Laura für mich vor allem Demut.
Ich habe etwas gehabt, was viele Menschen wahrscheinlich nie erleben dürfen.
Eigentlich gibt es nichts, was denkbar schlechter zusammengepasst hätte als Laura und ich. Laura mit den feinsten Antennen für wahrhaftige Emotionen, die ich je bei einem Menschen gespürt habe, ich der Holzklotz, der nicht einmal seinen eigenen Gefühlen traut.
Laura, das Wesen aus dem bedingungslosen Hier und Jetzt, das keine Sekunde damit verschwendet, sich Sorgen um die Zukunft zu machen. Ich, der Mann, der jeden seiner Schritte plant, absichert, auf Rationalität untersucht und seine Erfolge vorbereitet.
Laura, ein Meer voller Liebe und Zuneigung. Ich, der in vielen Jahren emotional verkümmerte Machtmensch.
Laura, eine vollendete Anarchistin der Liebe, die keine Regeln bricht, weil es in ihrer Liebe keine Regeln gibt. Ich, der ängstliche Entdecker, der sich vor der einen, großen Liebe fürchtet, die er sein Leben lang gesucht hat.
Laura ist schwer zu beschreiben. Sie liebt, sobald sie liebt, bedingungslos, und nie verspricht sie einem Menschen Exklusivität, mag er sie noch so sehr erwarten.
Ich war, als ich Laura kennenlernte, schon weit fortgeschritten auf dem Weg, ein zweifelnder, zynischer Verächter zu werden. Und nach Laura bin ich noch ein gutes Stück weitergekommen.
Ich bin nicht religiös, um Himmels willen! Aber wenn ich es wäre, dann würde ich denken, dass mir ein strenger Gott im Moment des Zweifels gezeigt hat, was Liebe ist, um diese aus meinem Leben zu tilgen, sobald ich sie begriffen hatte.
Nein, Laura und ich haben nie zusammengepasst. Doch es gab eine Verbindung zwischen uns, einen Stecker wie zwischen zwei Computern, der die unterschiedlichen Betriebssysteme
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