Midleifcrisis
verbindet. Der Stecker war der Kleine in mir.
Wenn Elke mich jemals geliebt haben sollte, dann tat sie es, obwohl es diesen Kleinen in mir gab. Laura liebte mich, weil sie wusste, dass ich tief in mir drin immer der Kleine war, und vor dem Cowboy, den sie vom ersten Moment an in meiner Seele lauern sah, hatte sie zeit unserer Liebe Angst. Und trotzdem hätte ich sie haben können, für immer, wenn ich nur gelernt hätte, dass Liebe auch dann absolut ist, wenn man sie auf mehrere Menschen verteilt. Und wenn ich keine Angst gehabt hätte, die Liebe meiner Kinder zu verlieren, von der ich heute weiß, dass ein Mann sie nie verlieren kann.
Aber das sind Gedanken, die in einem leeren Leben und einem leeren Pensionszimmer entstehen. Als ich Laura kennenlernte, taumelte ich einfach hinein in die größte Liebe meines Lebens und in die Katastrophe, die sich anbahnte, weil ich keine Ahnung hatte, wie ich sie aufhalten sollte.
Elke ist weg, sie hat entschieden, die kompletten Sommerferien bei ihren Eltern in Münster zu verbringen und zwischendurch mit ihrer Kölner Freundin Michaela einen Abstecher ohne die Kinder zu machen, möglicherweise nach Fuerteventura.
Ich denke: »Rosenbubi«, aber es ist mir scheißegal.
Die Pixelpunker sind nach 14 Tagen zu uns in die Agentur gezogen, wir haben zwei Konferenzräume zu einem Großraumbüro zusammengelegt und ihnen einen Haufen Computer hingestellt. Ich habe dort auch einen Schreibtisch, vorgeblich um die Sache gemeinsam mit Lehmann und dem Pixelpunk voranzutreiben, tatsächlich überlasse ich den beiden die Arbeit und verbringe meine Tage damit, nach Lauras Augen zu sehen. Oft beobachte ich Laura, deren Schreibtisch etwa zehn Meter vor meinem steht, und sie sieht öfter mal zu mir herüber. Anfangs tut sie es nachdenklich, als würde sie prüfen müssen, was meine Aufmerksamkeit zu bedeuten hat. Später lächelt sie manchmal. Noch später beginnt sie, mir heimlich Grimassen zu schneiden. Als der Pixelpunk mitbekommt, dass sie mir mitten im Büro die Zunge rausstreckt, eilt er zu mir, als müsse er einen erzürnten König besänftigen, spricht von der Jugend von Frau Anders und dass er mit ihr reden werde über ungebührliches Betragen. Ich höre mir dies voller Ernsthaftigkeit an und bescheide ihn, dass ich wohl besser selbst mit ihr sprechen werde. Die nächsten Tage läuft er wie ein geprügelter Hund durch den Konferenzraum, die Verträge sind noch nicht unterschrieben, er fürchtet offenbar das Schlimmste. Doch ich rede nicht mit Laura. Kein einziges Wort. Ich fühle mich wie ein verliebter Schuljunge, und jeden Tag wird meine Angst, sie anzusprechen, größer.
Ich schwebe durch einen Film, in dem der Kleine und Laura die Hauptrollen spielen, und am Wochenende bin ich grämlich, weil ich Laura zwei Tage lang nicht sehen werde. Montags treibt mich die Sehnsucht immer früher ins Büro, erst wenn ich sehe, dass sie ihren schlabberigen Rollkragenpullover über die langen, braunen Haare zieht und neben ihren Computer knüllt, bevor sie hinter ihrem Bildschirm abtaucht, entspanne ich mich und freue mich auf die Woche.
Dass ich rettungslos verknallt bin, ahnt niemand, außer Laura, nehme ich an, und als sich zwei jüngere Mitarbeiter in meiner Hörweite über Lauras Arsch und Titten unterhalten, werden sie innerhalb von zwei Stunden aus dem Projekt herausversetzt, da kenne ich nichts.
Es ist Laura, die die Sache nach Wochen endlich auf den Point of no Return steuert.
Weil ich das Büro nicht verlasse, solange sie noch da ist, muss auch sie ihren Feierabend nur lange genug hinausschieben, damit wir zum ersten Mal allein in unserer Kommandozentrale der werblichen Internetrevolution sind. Laura kommt zu mir hinüber, setzt sich vor meinen Schreibtisch, faltet artig die Hände im Schoß und sieht mich unverwandt an. »Hallo, Herr Andersson«, sagt sie zu mir, »mein Chef meint, ich darf Ihnen nicht die Zunge rausstrecken, und das finde ich blöd.«
Über ihr Gesicht zieht ein Lächeln, das in mir eine nie gekannte Form von Frieden verbreitet. Ich halte ihren Blick nicht aus und beginne, auf meinen Block zu kritzeln. Nach ein paar Minuten dreht Laura den Block um und fragt: »Sind die für mich?« Erst da bemerke ich, dass ich ein ganzes Schmetterlingsgeschwader gemalt habe, und nicke. Laura ist kein Mädchen für Handtaschen, sie nestelt ihr Portemonnaie aus der Hosentasche, holt einen zerknitterten Zettel heraus, den ich wiedererkenne, und sagt: »Die kommen zu der
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