Midnight Angel: Dunkle Bedrohung (German Edition)
Dienstag um zehn Uhr morgens Zeit, falls Sie einen Termin möchten .«
»Dr. Childers sollte sich lieber jetzt die Zeit nehmen .« Kowalski öffnete seine Jacke gerade so weit, dass Dienstmarke und Schulterhalfter sichtbar wurden. Einschüchternd gucken konnte er gut, und dazu bleckte er die Zähne, was rein technisch ein Lächeln war, aber seine Bedrohlichkeit nur unterstrich.
Finger mit rosarot lackierten Nägeln griffen unter den Schreibtisch, und zwei Minuten später trat eine weitere kühle Blondine in einem weißen Kittel mit verärgerter Miene in den Raum. Das war wohl Dr. Childers. »Amanda, ich dachte, ich hätte gesagt, Sie sollen die Klingel nur in Notfällen benutzen .«
Amandas Blick huschte zu Kowalski. Er bleckte wieder Zähne, Dienstmarke und Waffe.
Die kühle Blondine presste die Lippen zusammen. »Folgen Sie mir .«
Sie führte ihn in ein großes, luftiges Büro neben dem Vorzimmer, das gleichfalls weiß, kühl und ordentlich war. Sie setzte sich an ihren eleganten Eichenschreibtisch und faltete die Hände. »Wie kann ich Ihnen helfen, Mr … « Ihre Stimme senkte sich fragend.
»Lieutenant « , sagte Kowalski. »Lieutenant Tyler Morrison, Polizei Portland. Morddezernat .«
Ihre Augen wurden ein wenig größer, doch ansonsten blieb sie unbewegt. »Ja, Lieutenant, wie kann ich Ihnen helfen ?«
»Sie haben hier einen Häftling, einen Corey Sanderson. Hat einen Mann totgeschlagen und ein junges Mädchen blind geprügelt .«
Dr. Childers spitzte die Lippen. »Wir haben hier einen Patienten dieses Namens, das stimmt. Mr Sanderson. Er spricht sehr gut auf die Behandlung an. Er ist ein kultivierter Mensch, versteht sehr viel von Musik. Ein begabter Pianist. Er hat erst neulich Abend für eine Besuchergruppe gespielt .« Ein feines Lächeln legte sich über ihr Gesicht. »Mozart und Schumann. Wundervoll .«
Der Scheißkerl kann offenbar nicht nur auf einem Klavier klimpern, dachte Kowalski. Er weiß auch, welche Tasten er bei Dr. Childers drücken muss.
»Ja, Ma’am « , erwiderte er. »Wir fragen uns, ob er nicht nur Klavier spielen, sondern auch durch Wände gehen kann .«
Sie erstarrte. »Wie bitte ?«
»Wir haben einen verlässlichen Augenzeugen, der Corey Sanderson gestern Nachmittag um vier auf dem Lawrence Square gesehen haben will « , log Kowalski ohne Gewissensbisse. »Und heute vor dem Garden, einem Restaurant auf der Stillwell. Gegen ein Uhr dreißig .«
Dr. Childers blickte ihn leer an, dann fasste sie sich. »Ich fürchte, Ihre Zeugen müssen sich irren, Lieutenant. Mr Sanderson hat das Gelände seit drei Monaten nicht mehr verlassen. Seit seinem Prozess, um genau zu sein .«
Kowalski nickte. »Und seiner Verurteilung « , sagte er, um eine leichte Röte durch ihr blasses, ernstes Gesicht schießen zu sehen. »Das mag ja sein, Doctor, aber ich würde Mr Sanderson gern selbst sehen .«
»Ich fürchte, das ist unmöglich « , entgegnete die Ärztin nicht ohne Genugtuung. »Es wäre gegen die Vorschriften. Sie bräuchten einen richterlichen Beschluss .«
Er zog sein Handy aus der Tasche. »Ja, Doctor, das ist kein Problem. Ich hab den Richter auf der Kurzwahltaste .« Kowalski blickte ihr direkt in die Augen. Er konnte auch den abgebrühtesten Rekruten allein durch Blickkontakt in Tränen ausbrechen lassen. Sie würde seinem Blick nicht länger als zehn Sekunden standhalten, vermutete er. Eins, zwei, drei …
»Na gut .« Verärgert erhob sich Dr. Childers und zog sorgfältig ihren Kittel glatt. »Folgen Sie mir. Sie werden selbst sehen, wie unmöglich es für Mr Sanderson wäre, das Gelände zu verlassen .«
Die Sicherheitsvorkehrungen waren besser, als er angenommen hatte, nicht herausragend, nicht unmöglich zu überwinden, aber es wäre jedenfalls kein Spaziergang. Dr. Childers’ scharfe, gereizte Stimme hallte in dem weiten Flur wider. »Auch wenn es mir nach meiner professionellen Einschätzung übertrieben erscheint, ist Mr Sanderson in Flügel C untergebracht. Die Patienten in Flügel C unterliegen der Einschließung. Das bedeutet … «
»Ich weiß, was Einschließung bedeutet, Doctor. Ich möchte nur wissen, wie gut Ihre Einschließung ist .« Sie schoss ihm einen giftigen Blick zu, und sie erreichten das Ende des Korridors. Früher einmal musste eine hübsche vertäfelte Holztür wie die anderen auf dem Gang die Öffnung verschlossen haben, doch sie war durch eine weiße Stahlplatte ersetzt worden. Dr. Childers hielt den Zeigefinger vor einen grünen Bildschirm
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