Midnight Breed 02 - Gefangene des Blutes-neu-ok-10.11.11
schlimmer aus als
zuvor, sofern das überhaupt möglich war. Krusten von geronnenem Blut und
Geweberesten bildeten den grausigen Beweis für jüngst begangene Morde, die
seinen Blutdurst offensichtlich nicht gestillt hatten. In einem langsamen Trott
kam er hinter der Hecke hervor, die ihn versteckt hatte. Seine großen Fangzähne
tropften von Speichel, als er Chase taxierte - offenbar sah er ihn nur als
nächstes Opfer des Blutrausches, der seinen Geist und seinen Körper übermannt
hatte. Er war unerreichbar gewesen, als Chase ihn in Ben Sullivans Apartment
zurechtstutzen wollte. Jetzt war er gefährlich und unberechenbar, ein wilder
Hund, der zu lange von der Leine gewesen war.
Chase musterte ihn traurig,
voller Gewissensbisse, dass er nicht fähig gewesen war, ihn rechtzeitig zu
finden - nicht fähig gewesen war, ihn zu retten, dass er diese unumkehrbare
Verwandlung in einen Rogue nicht hatte verhindern können.
„Es tut mir so leid, Cam. Das
sollte dir niemals passieren.“
Unter dem Schoß seines dunklen
Wollmantels entsicherte Chase die Beretta und zog die Waffe aus dem Holster.
„Wenn ich an deiner statt wäre, ich schwöre …“
Hinter sich, oben am Haus, hörte
Chase das metallische Knacken vom Offnen der Vordertür, dann Elises plötzliches
Aufkeuchen. Die Zeit lief auf einmal langsamer. Alles dehnte sich aus. Die
Wirklichkeit spannte sich wie ein schwerfälliger Traum, ein Albtraum, der mit
dem Moment begann, in dem Elise aus dem Haus trat.
„Camden!“ Ihre Stimme schien
merkwürdig entfernt, verlangsamt wie die übrige Situation. „Oh Gott … Camden!“
Chase schwang zu ihr herum. Er
rief ihr zu, zurückzubleiben, aber da rannte sie schon. Sie breitete die Arme
aus, und das weiße Witwengewand umflatterte sie wie zarte Mottenflügel, als sie
ihrem Sohn entgegenflog. Ihrem sicheren und gewaltsamen Tod entgegen, wenn
Chase zuließ, dass sie nahe genug an den Rogue herankam, der einst ihr
geliebter Sohn gewesen war.
„Elise, bleib weg!“
Aber sie ignorierte ihn. Sie
rannte weiter, obwohl ihre tränengefüllten Augen Camdens abscheuliche,
furchterregende Erscheinung wahrnahmen. Sie würgte an einem Schluchzen, aber
ihre Arme blieben geöffnet, und ihre Füße rannten weiter auf dem Rasen hinunter
zum Kiesweg.
Aus den Augenwinkeln sah Chase,
wie die Aufmerksamkeit des wilden, bernsteinfarbenen Rogue-Blicks sich Elise
zuwandte.
Jetzt auf sie fixiert, ließ der
blutrünstige Vampir ein schreckliches, lautes Knurren ertönen und sank in eine
lauernde, sprungbereite Hockstellung. Chase wirbelte herum und warf sich
zwischen Mutter und Sohn. Er hatte die Pistole gezogen und angelegt, bevor es
ihm bewusst wurde.
Eine Sekunde tickte vorbei.
Elise kam immer noch auf sie zu,
weinend und Camdens Namen rufend.
Chase maß im Geiste die
Entfernung und wusste, dass ihm nur noch wenige Sekunden blieben, bis diese
Konfrontation in eine Tragödie ausarten würde. Er hatte keine Wahl. Er musste
handeln. Er konnte nicht danebenstehen und ihr Leben riskieren …
Der Knall des Schusses krachte
wie Donner durch die Nacht.
Elise schrie. „Nein! O Gott - neiiin!“
Chase stand da, taub, sein
Finger zog immer noch den Abzug durch. Das Titangeschoss hatte sein Ziel direkt
in die Mitte der Brust getroffen und den Rogue zu Boden geworfen. Das
Todeszucken setzte ein und radierte alle Hoffnung aus, dass Camden von der
Besessenheit der Blutlust gerettet werden könnte. Das Crimson hatte einen
wandelnden Toten aus ihm gemacht. Jetzt war es zu Ende. Camdens Leiden war
vorbei.
Das von Elise - wie auch das
von Chase - hatte erst begonnen.
Sie raste auf ihn los and
prügelte mit beiden Fäusten auf ihn ein. Sie traf sein Gesicht, seine
Schultern, seine Brust, schlug auf alles ein, was sie treffen konnte. Ihre
lavendelfarbenen Augen waren von Tränen überschwemmt, ihr schönes Gesicht
bleich und verzerrt, ihre Stimme ertrunken im Schluchzen und Weinen, das aus
ihrer Kehle strömte.
Chase ertrug die Züchtigung mit
Schweigen. Was konnte er tun? Was gab es zu sagen?
Er ließ sie all ihren Hass an
ihm auslassen, bis sie schließlich in einer Drehung neben ihrem Sohn
zusammenbrach. Das Titan verwandelte seine Überreste schnell in Asche. Erst
jetzt fand Chase die Kraft, sich zu bewegen. Er starrte auf ihre
zusammengekauerte Gestalt auf dem Kiesweg, seine Ohren klingelten von den
traurigen Geräuschen ihres Grams. Dann, in müdem Schweigen, ließ er die Waffe
aus der schlaffen Hand fallen.
Er wandte sich ab -
Weitere Kostenlose Bücher