Midnight Breed - Alles über die Welt von Lara Adrians Stammesvampiren
aus der Sammlung abarbeiteten. Sie konnte nicht riskieren, ihre besondere Gabe, die ihr in die Wiege gelegt worden war, hier zu benutzen.
Nein, diesen Teil von sich hatte sie zu Hause in Acadiana zurückgelassen. Sie würde hier in Boston niemandem Anlass geben, sie für irgend so eine dubiose Voodoo-Spinnerin zu halten. In der überwiegend weißen Studentenschaft fiel sie schon genug auf. Sie wollte niemanden wissen lassen, wie seltsam sie wirklich war. Außer ihrer einzigen lebenden Verwandten, ihrer älteren Schwester Amelie, wusste niemand von Savannahs übersinnlicher Gabe, und wenn es nach ihr ging, sollte es auch so bleiben.
So sehr sie auch Amelie liebte, so war Savannah doch froh gewesen, den Sumpf Louisianas hinter sich zu lassen und ihren eigenen Weg im Leben zu finden. Ein normales Leben. Eines, das nicht in den Sümpfen verwurzelt war, mit einer, soweit Savannah sich erinnern konnte, extrem exzentrischen Cajun-Mutter und einem Vagabunden als Vater, der sich ihr ganzes Leben lang nie hatte blicken lassen und von dem man laut Amelie so gut wie gar nichts wusste.
Ohne Amelie, die sie praktisch aufgezogen hatte, hätte Savannah niemanden gehabt. Sie fühlte sich immer noch irgendwie fehl am Platz in der Welt, verloren und auf der Suche, abseits von allen anderen um sie herum. So lange sie denken konnte, hatte sie sich immer …
anders
gefühlt.
Wahrscheinlich war sie deshalb so entschlossen, ihr Leben normal zu gestalten.
Sie hatte gehofft, wenn sie gleich nach der Highschool wegzog und an die Uni ging, würde sie endlich ein Ziel haben. Ein Gefühl von Zugehörigkeit und Richtung. Sie hatte die Maximalanzahl an Kursen belegt, und ihre Abende und Wochenenden verbrachte sie mit einem Teilzeitjob an der Boston Public Library.
Oh, Scheiße.
Einen Job, zu dem sie zu spät kommen würde, wie sie jetzt erkannte, als sie zur Uhr an der Wand aufsah. Ihre Vier-Uhr-Schicht in der Bibliothek begann in zwanzig Minuten – kaum noch genug Zeit, auch wenn sie hier jetzt alles stehen und liegen ließ und dann quer durch die Stadt raste.
Savannah klappte ihr Notizbuch zu und räumte hastig ihren Arbeitsbereich auf dem Tisch auf. Sie nahm die Urne mit ihren behandschuhten Händen und trug das Stück zurück in den Lagerraum, wo der Rest der katalogisierten Möbel und Kunstobjekte der gespendeten Sammlung aufbewahrt wurde.
Als sie das Silbergefäß ins Regal stellte und ihre Handschuhe auszog, fiel ihr in einer dämmrigen Ecke des Raumes etwas ins Auge. Eine lange, schmale Kiste stand dort gegen die Wand gelehnt, teilweise von einem aufgerollten antiken Teppich verdeckt.
War ihr und den anderen Studentinnen da etwa ein Stück entgangen?
Sie ging hinüber, um es sich genauer anzusehen. Hinter der Teppichrolle stand eine alte Holzkiste. Etwa einen Meter fünfzig lang und unspektakulär, außer der Tatsache, dass sie nicht bei den anderen Stücken, sondern offenbar absichtlich auf die Seite gestellt worden war. Versteckt.
Was war das?
Savannah schob mühsam die schwere, starre Teppichrolle zur Seite. Als sie sie gegen die Wand lehnte, stieß diese gegen die Holzkiste. Die wiederum kippte nach vorne und drohte zu Boden zu fallen.
Panisch hechtete Savannah mit ausgestreckten Armen nach vorne und versuchte mit ganzem Körpereinsatz, den Fall der Kiste zu dämpfen. Als sie sie auffing und von der Wucht des Falles auf die Knie gerissen wurde, sprangen die alten Lederbänder, die die Kiste zusammenhielten, mit einem leisen Knallgeräusch auf.
Kalter, glatter Stahl fiel aus der Kiste direkt in Savannahs ausgestreckte Hände.
Ihre nackten Hände.
Das Metall war kalt an ihren Handflächen. Schwer. Scharf geschliffen. Tödlich.
Erschrocken holte Savannah Luft, konnte sich aber nicht schnell genug bewegen, um die Macht ihrer Gabe zu stoppen, die jetzt in ihr durch die Berührung zum Leben erwachte.
Die Geschichte des Schwertes öffnete sich ihr wie ein Fenster in die Vergangenheit. Ein zufälliger Augenblick, für immer in dem Metall gespeichert, der sich jetzt in lebhaften, wenn auch bruchstückhaften Details vor Savannahs innerem Auge abspielte.
Sie sah einen Mann, der die Waffe im Kampf zückte.
Groß und bedrohlich, mit einer wilden blonden Lockenmähne, starrte er unter einem samtschwarzen, mondhellen Himmel auf einen unsichtbaren Gegner nieder. Seine Haltung war gnadenlos, so grimmig wie der Tod selbst. Durchdringende blaue Augen blitzten durch die schweißnassen Haarsträhnen, die ihm in sein kühnes, kantiges
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